Ein Paket voll Liebe & Corned Beef
Care. Vor siebzig Jahren langten die ersten Hilfspakete aus den USA in Österreich ein. Die humanitäre Aktion half den Europäern, das erste Nachkriegsjahr zu überleben.
Es war ein sehr kalter Winter 1945/46. Heizmaterial gab es kaum, Strom und Gas nur stundenweise. Ich war damals knapp elf Jahre alt. Weil ich tuberkulosegefährdet war, bekam ich ein Care-Paket. Mit Kakao! So etwas hatten wir schon ewig nicht gehabt. Ich war glücklich und stolz, ein so herrliches Paket bekommen zu haben“, erinnert sich Christa Chorherr an ihre Wiener Kindheit in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg und die amerikanische Hilfe.
Eine der großartigsten, großherzigsten Hilfsaktionen, die die amerikanische Bevölkerung für das Not leidende Europa nach 1945 auf die Beine stellte: 22 private Wohlfahrtsverbände hatten schon Ende 1945 die Hilfsorganisation Care („Cooperative for American Remittances to Europe“) gegründet. Die US-Army stellte überdies 2,8 Millionen überflüssig gewordene Armee-Rationen für die ersten Lieferungen nach Europa zur Verfügung.
Am 20. Juni 1946 stach der Frachtdampfer Antinous mit den ersten 3200 für Österreich bestimmten Care-Paketen von New York aus in See. Am 1. Juli traf die Ladung in Antwerpen ein, setzte die Reise per Zug fort und wurde an der Schweizer Grenzstation Buchs den Österreichern übergeben. Am 19. Juli 1946 trafen die ersten Care-Pakete auf dem Wiener Franz-Josephs-Bahnhof ein: 3200 Kartons, die zu einem Symbol für Hilfe wurden. Die Pakete waren gefüllt mit Dosenfleisch, Zucker, Kondensmilch, Käse, Obst und Pudding und sicherten jeweils einer Familie mindestens eine Woche lang das Überleben. Am 25. Juli 1946 übergab US-General Clark die ersten zehn Care-Pakete, die USPräsident Truman symbolisch dem österreichischen Volk spendete, an Bundespräsident Karl Renner.
„Das Care-Paket ist seit 1946 ein Symbol für Nächstenliebe und Hilfsbereitschaft für Menschen in Armut und Not“, sagt Andrea Barschdorf-Hager, Geschäftsführerin von Care Österreich. Sie hat nun gemeinsam mit den ÖBB eine Ausstellung gestaltet, die derzeit auf den österreichischen Bahnhöfen gezeigt wird.
Unglaubliche hundert Millionen solcher Pakete wurden ab 1946 in ganz Europa verteilt, das zerbombte Deutschland und das zerstörte Österreich waren dankbare Abnehmer. Eine Million Pakete kamen auf Österreich. Im Schnitt hat jeder siebte Österreicher ein Care-Paket erhalten. Allein drei Millionen gingen per Luftfracht ins kommunistisch eingekreiste freie Westberlin. Als der Kalte Krieg zwischen Ost und West seinen Höhepunkt erreichte, hielt die Luftbrücke die Millionenstadt an der Spree am Leben. Ab 1947 wurde der Inhalt der Pakete normiert. Zum Standard-Inhalt gehörten nun:
1 Fleischkonserve 1 kg Vollmilch-Pulver 1 kg Kaffee 1 kg Zucker 1 kg Margarine ½ kg Rindfleisch in Kraftbrühe ½ kg Steaks und Nieren ½ kg Schweineschmalz ½ kg Honig ½ kg Schokolade ½ kg Rosinen ½ kg Aprikosen-Konserven kg Leber kg Corned Beef kg Speck kg Eipulver
Auch heute ist Care gefragter denn je. Jetzt sind es die Flüchtlingsströme auf dem Westbalkan, die versorgt werden. In den Paketen sind ganz andere Dinge als vor siebzig Jahren: Hauben, Pullover, Schals waren in diesem Winter Mangelware – und daher sehr begehrt. „Es ist kaum zu glauben, dass Menschen, die in Europa unterwegs sind, kein Wasser zu trinken haben“, sagt Wagner-Hager. Armut, Hunger und Krieg machen vor unseren Landesgrenzen nicht halt. In neunzig Ländern ist Care für 72 Millionen Menschen tätig.
Siebzig Jahre nach der Gründung von Care ist daher niemandem wirklich zum Feiern zumute.