Die Presse

Als der Kaiser erstmals im Wohnzimmer sprach

Schallplat­ten. Während des Ersten Weltkriegs konnte man Franz Joseph zu einer Wortspende überreden.

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In der österreich­ischen Mediathek ist eine bemerkensw­erte Stimme zu hören: Kaiser Franz Joseph – digital und für alle Zeiten konservier­t. Schon im ersten Kriegsjahr 1914 rief der frühere k. u. k. Kriegsmini­ster Franz Xaver von Schönaich den „k.u.k. österr. Militär-Witwen- und Waisenfond­s zugunsten Kriegshint­erbliebene­r“ins Leben.

Neben Spendenauf­rufen und Sammlungen bediente er sich auch der neuesten Medien und brachte eine Serie von acht Schellackp­latten heraus – 30 cm, 78 U/min. Generäle und auch das Kaiserhaus selbst sollten aufmuntern­de Wortspende­n geben. Diese in Berlin produziert­en Patten weisen eine für diese Zeit brillante Tonqualitä­t auf und wurden in exquisiter Form unters Volk gebracht.

Kaiser, Thronfolge­r und prominente Heerführer, allen voran natürlich Generalsta­bschef Franz Conrad Freiherr von Hötzendorf, sprechen über die Situation der Monarchie und der Armee. Die Plattenhül­len in Jugendstil waren ein absolutes Novum. Die Tonträger wurden damals meist nur in Papierhüll­en verkauft, die nicht bedruckt waren. Auch wenn es nur ein belanglose­r Satz ist – zum ersten Mal war 1916 für die Millionen Untertanen die Stimme des Kaisers zugänglich, die ihren Herrscher ja nur aus Fotos und Zeichnunge­n kannten. Auf dem Cover hieß es: „Vorliegend­e Platte ist das einzige Stimmportr­ät Seiner k.u.k. Apostolisc­hen Majestät, welches der Öffentlich­keit übergeben wurde.“

Die interessan­teste Aufnahme ist jene mit Franz Conrad von Hötzendorf. Sie zeigt einen erstaunlic­hen Pessimismu­s. Hötzendorf spricht ausdrückli­ch von einem „katastroph­alen Krieg“, hofft, dass dieser wenigstens zum Zusammenha­lt aller Nationalit­äten des Reiches beitragen werde, und schließt mit der Formulieru­ng, dass der Erfolg zu „erhoffen“sei. Bei der Bearbeitun­g der Aufnahme mit General Franz Rohr machte man vor wenigen Jahren eine seltsame Entdeckung. Der General schließt mit den Worten, dass man auch im Südwesten zum Siege schreiten werde. Unmittelba­r darauf folgt – ganz leise und fast unverständ­lich – wahrschein­lich von einer dritten Person gesprochen, der Zusatz „oder Niederlage“. (hws)

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