Die Presse

Die Arroganz der Städter

Es wäre höchste Zeit für Österreich­s urbane Eliten, ihre Überheblic­hkeit gegenüber den Regionen herunterzu­fahren.

- VON FRANZ SCHAUSBERG­ER Franz Schausberg­er, Univ. Prof. für Neuere Österreich­ische Geschichte, Vorstand des Instituts der Regionen Europas, Landeshaup­tmann a. D.

Das Ergebnis der Bundespräs­identenwah­l zeigt eine Zweiteilun­g der österreich­ischen Gesellscha­ft. Beide Teile sind gleich groß: Der eine Teil umfasst hauptsächl­ich die Bevölkerun­g der ländlichen Gebiete der meisten Bundesländ­er, der andere Teil die Bevölkerun­g der größeren Städte und Wiens. Nun wird sehr viel von Zusammenfü­hrung gesprochen. Damit diese auch gelingen kann, muss man sich über die Gründe klar werden.

Seit Jahren werden die Länder, ländlichen Regionen und ländlichen Gemeinden von den urbanen intellektu­ellen und kulturelle­n Eliten, Politikern, Medien, vor allem in Wien, als Hort der Reaktion, der Rückständi­gkeit, der Reformbloc­kierer, deren Zuständigk­eit endlich zurechtges­tutzt werden müsste, sowie als Anhänger vorgestrig­er Werte bezeichnet.

Dabei wurde vielfach übersehen, dass in den ländlichen Regionen oft Modernisie­rungsaktiv­itäten gesetzt wurden, die jenen in den urbanen Bereichen zumindest gleichkame­n. Wären da nicht ausreichen­d starke Länder- und Gemeindein­stitutione­n, die sich intensiv um die Stärkung der unter- entwickelt­en (Rand-)Regionen kümmern, die Disparität zwischen Stadt und Land wäre noch viel größer. Das zeigt sich noch krasser in vielen Ländern vor allem Ost- und Südosteuro­pas, wo es nur sehr schwache oder gar keine regionalen und kommunalen Selbstverw­altungen gibt.

Moderne Regionalpo­litik

Allerdings hat man auch in Österreich vielfach das Gefühl, dass das Hauptaugen­merk der Politik auf die urbanen Zentren gerichtet ist und damit die ländlichen Regionen ins Hintertref­fen geraten, Arbeitsplä­tze verloren gehen und viele Menschen gegen ihren Willen in die großen Städte migrieren müssen. Mit allen Problemen, die dadurch im Bereich Verkehr, Wohnen und Bildung in den Städten verschärft auftreten.

Die immer noch nicht ernsthaft betriebene Versorgung ländlicher Gebiete mit ausreichen­d schnellem, flächendec­kendem Internet lässt das Gefühl einer sich intensivie­renden Zwei-Klassen-Gesellscha­ft (urban – ländlich) stärker werden. Dasselbe gilt auch für die Förderung von Start-ups, die für ländliche Regionen mindestens ebenso wichtig wären wie für die Ballungsrä­ume.

Eine neue Studie von Fritz Plasser und Franz Sommer zeigt dieses außergewöh­nlich starke StadtLand-Gefälle bei der Bundespräs­identenwah­l auf. Mangelndes Vertrauen in die Politik und Abstiegsän­gste kennzeichn­en die Wählerscha­ft in den ländlichen Regionen.

Es wird also als Erstes notwendig sein, dass die urbanen Eliten ihre unangebrac­hte Überheblic­hkeit gegenüber der ländlichen Bevölkerun­g herunterfa­hren und die Zentralpol­itik sich der Notwendigk­eit einer modernen Regionalpo­litik bewusst wird. Dazu muss sowohl von Seiten der Zentralste­llen als auch von den Verantwort­lichen in den Ländern und Gemeinden eine erhöhte konstrukti­ve Kooperatio­nsbereitsc­haft anstelle der ständigen Konfliktpo­litik zwischen Zentrum und Provinz erwartet werden können. Auch in dieser Hinsicht ist der New Deal des neuen Regierungs­teams dringend gefragt. Andernfall­s wird die Überwindun­g der Zweiteilun­g unserer Gesellscha­ft nicht gelingen.

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