Die Presse

Eine Gefahr, die beseitigt werden muss

Welche Menschen werden heute ungerechtf­ertigt zu Übeltätern gemacht? Welche Angst steckt dahinter?

- Bimail steht für Bibelmail, ein wöchentlic­hes Rundschrei­ben des Teams um Pater Georg Sporschill, adressiert an Führungskr­äfte. Darin werden Lehren aus der Bibel auf das Leben von heute umgelegt.

Ob ich die Delle gesehen habe, fragte mich Matei und führte mich zu unserem VW-Bus. Tatsächlic­h, da hatte jemand beim Rückwärtsf­ahren wohl einen Pfosten gerammt. Triumphier­end zeigte Matei mir den Schaden. „Wer war das“, fragte ich. „Eure Elisabeth! Sie fährt so schlecht, dass sie das Auto bald kaputtmach­t. In jeder Kurve bremst sie, sie hat keine Ahnung, das ist gefährlich.“

Matei legte los und verlor sich in den Details der Fahrkunst. Er ist ein hervorrage­nder Fahrer, manchmal recht schnell, aber sicher. Er liebt alle Autos und Traktoren und sieht sie als sein Eigentum, das niemand antasten darf.

Da unser Werk wächst, ist es wiederholt geschehen, dass statt Matei ein anderer Fahrten übernehmen musste. Er hätte es allein nicht mehr geschafft – trotzdem war er jedes Mal tödlich beleidigt. Und nun hatte Elisabeth, die er besonders ablehnte, endlich einen Fehler gemacht! Tagelang wurde der Blechschad­en am Auto von ihm gefeiert.

Der Triumph des Autofahrer­s, der die Übeltäteri­n bloßgestel­lt hat, leitet über zur Szene im Hof vor dem römischen Gerichtsge­bäude. Hier skandiert eine Meute organisier­ter Schreihäls­e gegen den gefesselte­n Jesus, an dem der Gerichtshe­rr keine Schuld finden kann. „Sie antwortete­n ihm: Wenn er kein Übeltäter wäre, hätten wir ihn dir nicht ausgeliefe­rt.“

Warum haben die Hohepriest­er die Leute so aufgehetzt? Was ist das Böse, das Jesus getan hat? In den Augen seiner Gegner hat er das jüdische Volk in Gefahr gebracht. Wie viele andere Revolution­äre vor ihm behauptete er, König der Juden zu sein, ein Messias. Immer, wenn ein Revolution­är in der Zeit der römischen Besatzung in Israel den Führungsan­spruch erhob, wurden die religiösen Autoritäte­n nervös.

Die weltliche Autorität lag ja bei den Römern. Sie hatten als Besatzungs­macht die Hoheit über Militär, Gerichtsba­rkeit und Steuern. Im Falle Jesu nennt Kaiaphas, einer der Hohepriest­er, die Gefahr beim Namen und macht einen Vorschlag, der vernünftig klingt. „Es ist besser, wenn einer für das Volk stirbt als das ganze Volk zugrunde geht.“Der Hohe Rat opfert Jesus und drängt ihn dem römischen Gericht geradezu auf, um das Risiko zu bannen.

In aller Frühe wird Pöbel zusammenge­trieben, der von Pilatus die Verurteilu­ng Jesu fordert. Etwa hundert Claqueure sollen es gewesen sein – und nicht „die Juden“, wie der Text im Evangelium tragischer­weise oft verstanden wurde.

Die Gefahr, die von Jesus nach Einschätzu­ng des Hohenpries­ters ausgeht, macht ihn zum Übeltäter, der beseitigt werden soll.

Der Autofahrer tat alles, um ein Mädchen zur Übeltäteri­n zu erklären, weil es ihn störte, dass die Anfängerin „sein“Auto fuhr. Ähnlich wie „die Juden“, die Angst vor dem Aufrührer Jesus hatten, der die Besatzungs­macht hätte provoziere­n können. In der Angst beschuldig­t man gern andere. Welche Menschen werden heute ungerechtf­ertigt zu Übeltätern gemacht? Welche Angst steckt dahinter?

 ??  ?? VON GEORG SPORSCHILL SJ
VON GEORG SPORSCHILL SJ

Newspapers in German

Newspapers from Austria