Österreich – sehr stabil zwischen links und rechts
Die im Präsidentschaftswahlkampf aufgekommene, teilweise leicht hysterisch geführte Debatte um die potenzielle Machtfülle des Bundespräsidenten sollte nun nicht in unbedachte Verfassungsänderungen münden, die das Machtgleichgewicht zwischen Präsident, Regierung und Parlament aus der Balance bringen könnten. Immerhin handelt es sich beim Amt des Präsidenten um das einzige direktdemokratisch legitimierte Organ der Republik, während z. B. die Regierung von den Parteien ohne direkte Mitsprache des Wählers beschickt werden kann.
Statt also über Verfassungsänderungen bezüglich des Präsidentenamts zu sinnieren, wäre es viel wichtiger, die Lähmung der Bundesorgane durch die verfassungsrechtlich nicht vorgesehene, jedoch in der Praxis offenbar ziemlich allmächtige Konferenz der Landeshauptleute zu überwinden.
Diese Herrschaften blockieren schon seit Jahren jegliche tiefer greifenden Reformversuche seitens des Bundes und sind deshalb maßgeblich mitverantwortlich für den derzeitigen Zustand ihrer Parteien und des Landes. „Die zwei Republiken . . .“Leitartikel von Oliver Pink, 25. 5. Vom Graben, von Zerrissenheit, ja von zwei Republiken ist derzeit in fast allen österreichischen Tageszeitungen die Rede. Eine sehr naheliegende Interpretation der knappen Bundespräsidentenwahl wurde jedoch kaum erwähnt: Die erfreuliche Tatsache, dass Österreich sehr stabil zwischen den Polen links und rechts gelegen ist – kaum eine andere Wahl hätte dies besser verdeutlichen können.
Es liegt nun ab sofort an der neuen Regierung, die breite Mitte mehr anzusprechen, indem die überfälligen Aufräumarbeiten (Checklisten liefert Josef Urschitz sicher gern) zügig angegangen werden. Nur so kann es vermieden werden, dass die nächste Nationalratswahl ein Extrem produziert, was ja offenbar von der Bevölkerung gar nicht gewünscht wird.