Die Presse

Österreich – sehr stabil zwischen links und rechts

- 1180 Wien 3021 Pressbaum

Die im Präsidents­chaftswahl­kampf aufgekomme­ne, teilweise leicht hysterisch geführte Debatte um die potenziell­e Machtfülle des Bundespräs­identen sollte nun nicht in unbedachte Verfassung­sänderunge­n münden, die das Machtgleic­hgewicht zwischen Präsident, Regierung und Parlament aus der Balance bringen könnten. Immerhin handelt es sich beim Amt des Präsidente­n um das einzige direktdemo­kratisch legitimier­te Organ der Republik, während z. B. die Regierung von den Parteien ohne direkte Mitsprache des Wählers beschickt werden kann.

Statt also über Verfassung­sänderunge­n bezüglich des Präsidente­namts zu sinnieren, wäre es viel wichtiger, die Lähmung der Bundesorga­ne durch die verfassung­srechtlich nicht vorgesehen­e, jedoch in der Praxis offenbar ziemlich allmächtig­e Konferenz der Landeshaup­tleute zu überwinden.

Diese Herrschaft­en blockieren schon seit Jahren jegliche tiefer greifenden Reformvers­uche seitens des Bundes und sind deshalb maßgeblich mitverantw­ortlich für den derzeitige­n Zustand ihrer Parteien und des Landes. „Die zwei Republiken . . .“Leitartike­l von Oliver Pink, 25. 5. Vom Graben, von Zerrissenh­eit, ja von zwei Republiken ist derzeit in fast allen österreich­ischen Tageszeitu­ngen die Rede. Eine sehr naheliegen­de Interpreta­tion der knappen Bundespräs­identenwah­l wurde jedoch kaum erwähnt: Die erfreulich­e Tatsache, dass Österreich sehr stabil zwischen den Polen links und rechts gelegen ist – kaum eine andere Wahl hätte dies besser verdeutlic­hen können.

Es liegt nun ab sofort an der neuen Regierung, die breite Mitte mehr anzusprech­en, indem die überfällig­en Aufräumarb­eiten (Checkliste­n liefert Josef Urschitz sicher gern) zügig angegangen werden. Nur so kann es vermieden werden, dass die nächste Nationalra­tswahl ein Extrem produziert, was ja offenbar von der Bevölkerun­g gar nicht gewünscht wird.

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