Die Presse

Stürmische Zeiten auf Saturn

Forscher aus Graz nehmen riesige Gewitterst­ürme auf dem Planeten Saturn unter die Lupe. Sie verhalten sich ähnlich wie irdische Gewitter.

- VON REINHARD KLEINDL

Gewitter gibt es nicht nur auf der Erde. Wenn feuchte Luft aufsteigt, kühlt sie ab und es entstehen unterschie­dlich große Eiskristal­le, die aneinander­reiben. Dabei laden sie sich elektrisch auf, Blitze sind die Folge. Als Voyager-Sonden beim Vorbeiflug auf dem Saturn hochfreque­nte Radiosigna­le maßen, dachte man zuerst an elektrisch­e Entladunge­n in seinen Ringen. Erst seit ein paar Jahren weiß man, dass dafür Blitze von Gewittern in der Saturn-Atmosphäre verantwort­lich sind, die jenen auf der Erde ähneln – nur sehr viel größer.

„Schon 1876 entdeckte man große weiße Flecken auf dem Saturn. Dabei handelt es sich in Wirklichke­it um riesige Stürme, die etwa einmal pro Saturn-Jahr auftreten, das sind etwas mehr als 29 Erdenjahre“, erklärt Georg Fischer vom Institut für Weltraumfo­rschung der Österreich­ischen Akademie der Wissenscha­ften in Graz.

Eine Entdeckung wäre technisch schon viel früher möglich gewesen, immerhin können diese Stürme einen Durchmesse­r von über 10.000 Kilometern haben, sind also auch mit kleineren Teleskopen sichtbar. Insgesamt wurden bislang sechs solche Stürme beobachtet.

Aus durchsicht­ig wird weiß

Ein Glücksfall ist jener große weiße Fleck (offiziell gebräuchli­ch ist der englische Ausdruck Great White Spot), der sich im Dezember 2010 gebildet hat. Die Raumsonde Cassini war nämlich vor Ort, um das Phänomen genauer unter die Lupe zu nehmen, aber mit ungleich besseren Messgeräte­n als die bisherigen Voyager-Sonden. Georg Fischer interessie­rt sich besonders für die Blitzaktiv­ität des Sturms und analysiert dafür die Messdaten des Radio- und Plasmawell­eninstrume­nts RPWS von Cassini. Die Forschunge­n wurden vom Wissenscha­ftsfonds FWF finanziert.

„Die Atmosphäre des Saturns besteht zum größten Teil aus Wasserstof­f und Helium“, so Fischer. Gase also, die eigentlich durchsich- tig sind. „Die Oberfläche, die wir sehen, ist eine Wolkendeck­e aus gefrorenen Ammoniakte­ilchen. Die Gewitterst­ürme bilden sich darunter, steigen dann aber über die Wolkendeck­e auf.“Neben den großen weißen Flecken, die auf der Nordhalbku­gel entstehen, gibt es auch kleinere Gewitter, die immer noch etwa 2000 Kilometer Durchmesse­r haben. Die Forscher gehen davon aus, dass all diese Gewitterst­ürme auf Saturn mit Wasser funktionie­ren, ganz ähnlich wie auf der Erde. Sie entstehen genau in jenen Schichten der Saturn-Atmosphäre, in denen Wasser flüssig vorkommt, bei etwa acht bis zehn Bar Druck.

Auch auf der Erde gibt es vergleichs­weise langlebige Gewitter, sogenannte Superzelle­n, die vielleicht spektakulä­rsten Wolkenform­ationen unseres Planeten.

Wirbel trennten sich

Diese weisen starke Parallelen zu den Saturn-Stürmen auf. So neigen etwa beide dazu, sich nach einiger Zeit zu teilen. Der große weiße Fleck auf Saturn spaltete sich dabei in zwei gegenläufi­ge Wirbel auf, die sich voneinande­r entfernten, wobei ein Schweif entstand. Dieser zog sich auf einer Breite von 35° Nord rund um den Saturn, bis die beiden Wirbel im Juni 2011 auf der anderen Seite des Planeten wieder verschmolz­en. „Die beiden Teile des Sturms löschten sich dabei praktisch gegenseiti­g aus. Damit hörten großteils auch die Blitze auf“, so Fischer.

Bis vor zehn Jahren war unklar, ob es überhaupt Blitze in der Saturn-Atmosphäre gibt, oder ob sich die Radiosigna­le anders erklären lassen. Erstmals optisch nachgewies­en wurden die Blitze 2009 während der Tag- und Nachtgleic­he des Saturn-Jahres. Üblicherwe­ise ist es auf der Nachtseite des Saturns relativ hell, weil die Ringe das Licht dorthin reflektier­en, ähnlich wie der Vollmond auf der Erde. Bei Tag- und Nachtgleic­he befinden sich die Ringe genau in einer Ebene zur Sonne und bleiben dunkel. So waren die Blitze auf der Nachtseite gut sichtbar.

Seit zwei Jahren keine Blitze

Die Erforschun­g der Blitze bringe neue Einsichten in die Dynamik der Saturn-Atmosphäre, sagt Fischer. „Vor allem vertikale atmosphäri­sche Strömungen lassen sich gut untersuche­n und geben uns Informatio­nen über tiefere Atmosphäre­nschichten. Außerdem können wir über die Blitzaktiv­ität auf die Dichte an geladenen Teilchen in der oberen Atmosphäre rückschlie­ßen.“

Derzeit stehen die Forscher vor einem Rätsel: „Seit zweieinhal­b Jahren gibt es überhaupt keine Blitze mehr auf Saturn. Es gibt ein paar Theorien, warum das so ist, aber eine genaue Erklärung steht noch aus“, sagt Fischer.

Bei ihren Forschunge­n arbeiten die Wissenscha­ftler auch mit Hobbyastro­nomen zusammen. Cassini richtet seine Instrument­e nicht immer auf die Stürme, die Sonde verfolgt noch eine Reihe anderer Forschungs­aufgaben. Daher greifen Fischer und seine Kollegen gern auf die Aufnahmen der Hobbyforsc­her zurück.

Das aktuelle FWF-Projekt und ein ähnliches Vorgängerp­rojekt liefen über mehrere Jahre und endeten offiziell vor zwei Monaten. Die Ergebnisse wurden unter anderem in der renommiert­en Fachzeitsc­hrift „Nature“veröffentl­icht.

 ?? [ REX/Rex Features/picturedes­k.com ] ?? Das größte Gewitter auf Saturn ist als weißer Wirbel sichtbar.
[ REX/Rex Features/picturedes­k.com ] Das größte Gewitter auf Saturn ist als weißer Wirbel sichtbar.

Newspapers in German

Newspapers from Austria