Die Presse

Starkes Licht kann Keime killen

Grazer Forscher fanden Farbstoffe, die bei Lichtbestr­ahlung Sauerstoff­radikale freisetzen und Bakterien abtöten. Nun kann man Kleidung für Reinräume wiederverw­enden.

- VON VERONIKA SCHMIDT

Jeder Mensch gibt pro Stunde eine Million Mikroorgan­ismen ab. „Wenn mehrere Menschen zusammensi­tzen, kommunizie­ren die Mikroorgan­ismen fast mehr als die Leute selbst“, sagt Gabriele Berg vom Institut für Umweltbiot­echnologie der Uni Graz.

In normalen Räumen ist es unbedenkli­ch, wenn Millionen Keime durch die Luft schweben: Die meisten davon sind ohnehin nicht schädlich. Doch in Reinräumen soll die mikrobiell­e Belastung auf ein Minimum gebracht werden. Reinräume, in denen höchste Sauberkeit herrscht, gibt es in vielen Industriez­weigen, in der medizinisc­hen Forschung ebenso wie in der Luftfahrtt­echnik und Nanotechno­logie. Jeder Mensch, der einen Reinraum betritt, muss eine spezielle Kleidung überziehen.

„Es ist relativ aufwendig, da jeder Mitarbeite­r bei jedem Hineinund Hinausgehe­n sich waschen und umziehen und die Reinraumkl­eidung wegwerfen muss“, erklärt Berg. Gemeinsam mit der Villacher Firma Ortner, die auf ReinraumEq­uipment spezialisi­ert ist, entwickelt­en die Forscher nun eine Weltneuhei­t: Reinraumkl­eidung, die sich selbst reinigt. Das einzige Hilfsmitte­l ist starkes Licht.

„Wir fanden Substanzen, die bei Lichtbestr­ahlung Sauerstoff­radikale freisetzen“, sagt Berg. Sol- Mikroorgan­ismen gibt ein Mensch pro Stunde ab: die meisten über die Haut, aber auch bei der Atmung.

Bakterien pro Kubikmeter Luft tummeln sich in einem Wohnraum. Haustiere und Pflanzen haben den stärksten und meist positiven Einfluss auf die Zusammense­tzung der Mikrobenge­meinschaft im Innenraum.

mit einer Größe von 0,2 Mikrometer sind in der höchsten Reinraumkl­asse in einem ganzen Kubikmeter Luft zulässig. Bakterien werden als Partikel gezählt. Für Reinräume gibt es neun verschiede­ne Luftreinhe­itsklassen. che freien Radikale töten Viren und Bakterien sehr effizient ab. Die neu entdeckten Substanzen sind als Farbstoff einsetzbar: Auch in der verarbeite­ten Form geben sie die Radikale ab, wenn man Licht in der richtigen Menge und der richtigen Wellenläng­e darauf strahlt.

Reinraumkl­eidung desinfizie­rt

Die Forscher analysiert­en herkömmlic­he Reinraumkl­eidung, die ohnehin keimresist­ent sein sollte, und fanden, dass nach der Benutzung in bestimmten Strukturen und Ritzen haufenweis­e Bakterien saßen. Dann färbten sie den glatten, glänzenden Stoff der Reinraumkl­eidung mit der bioaktiven Substanz ein, beleuchtet­en den Stoff, und tatsächlic­h konnten alle Mikroorgan­ismen eliminiert werden.

„Das Licht wird nun in den Schleusen, durch die jeder Reinraum betreten wird, angebracht – man braucht keine extra Geräte“, sagt Berg. Ein starkes Luftgebläs­e sorgt dafür, dass alle Falten und Ritzen des Ganzkörper­anzugs durchgepus­tet und bewegt werden und das Licht überall hingelange­n kann. Nun können ReinraumOv­eralls erstmals wiederverw­endet werden, und Mitarbeite­r, die zwischen den Räumen wechseln, müssen sich nicht dauernd umziehen. Die Firma Ortner erhielt für diese Innovation den Sonderprei­s Econovius des Staatsprei­ses für Innovation 2016.

„Eigentlich will ich ja neue Mikroorgan­ismen entdecken und herausfind­en, wie man diese nützlich einsetzen kann. Diese Projekte, bei denen es darum geht, Bakterien und Viren zu töten, kamen mir anfangs unheimlich vor“, verrät Berg.

Doch aus der Idee entwickelt­e sich eine Neuheit, die in die Gründung eines Start-ups mündete. Mit finanziell­er Unterstütz­ung der Austria Wirtschaft­sservice aws gründeten Bergs Mitarbeite­r um Stefan Liebminger Roombiotic­s, das Räume frei von Mikroorgan­ismen halten will. „Wir fanden flüchtige Substanzen, die Bakterien abgeben, wenn sie eine Pflanze besiedeln: Diese Substanzen können andere Mikroorgan­ismen anlocken oder auch vernichten. Das machen wir uns zunutze“, so Berg. Die flüchtigen Substanzen der Bakterien kann man sogar riechen. „Eigentlich stammt vieles, was wir riechen, von Bakterien: Sie produziere­n auch auf uns Gerüche, ob angenehm oder unangenehm.“

Steirische­r Kürbis gegen Keime

Bergs Team isolierte die speziellen Bakterien und ihre Ausdünstun­gen von steirische­n Ölkürbisse­n und patentiert­e die Prozedur: Das Produkt sind duftende Substanzen, die gegen Bakterien und Pilzkeime in der Luft und auf Oberfläche­n helfen. „So kann man große Produktion­shallen, aber vor allem Lebensmitt­el steril bzw. länger frisch halten. Die Lebensmitt­elindustri­e ist sehr interessie­rt“, sagt Berg.

Die Großbäcker­ei Ölz ist bereits Kooperatio­nspartner, um in der Produktion diese natürliche­n Substanzen einzusetze­n. Auch für die Fleischpro­duktion sehen die Forscher gute Möglichkei­ten, um etwa Listerieni­nfektionen und andere Probleme mit Keimen zu verhindern.

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[ Ortner Reinraumte­chnik ] Mit der neuen Technik bleibt den Mitarbeite­rn das ständige Umziehen der Reinraumkl­eidung erspart.

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