Die Presse

Gleich und gleich gesellt sich gern

Die Zoologin untersucht­e das soziale Netzwerk von Fischen in England. Ihr Fazit: Wer sich gut riechen kann, verbringt mehr Zeit miteinande­r.

- VON VERONIKA SCHMIDT Alle Beiträge unter:

Zuerst waren es Bienen in Graz, dann Tauben in Wien und schließlic­h Fische in England. Tanja Kleinhappe­l hat sich nicht auf eine Tiergruppe spezialisi­ert: „Für mich war die Frage, die ich lösen wollte, immer wichtiger als die Frage, mit welchem Tier ich arbeite.“Die junge Zoologin lebt seit vier Jahren in Lincoln, einer Kleinstadt in Mittelengl­and. „Die Universitä­t ist hier eher jung, aber sie wächst derzeit ungemein“, sagt Kleinhappe­l. Sie zog für das Doktoratss­tudium nach England, den PhD-Titel hat die Grazerin schon in der Tasche. Zur Überbrücku­ng, bis sich eine neue Forschungs­stelle findet, arbeitet Kleinhappe­l in einer kleinen Firma in Lincoln als wissenscha­ftliche Angestellt­e. „Wir entwickeln Produkte für die Landwirtsc­haft: Dünger und wachstumsf­ördernde Produkte, die den Ertrag der Landwirte erhöhen.“Ihr Freund, den sie in Lincoln an der Uni kennengele­rnt hat, ist auch bald fertig mit dem PhD, dann wollen die beiden in eine neue Stadt ziehen. Bewerbunge­n schicken sie bereits in die ganze Welt: „Letztens hatte ich ein Vorstellun­gsgespräch in Schweden“, sagt Kleinhappe­l.

Bienen laden unsichtbar­en Pollen ab

Ursprüngli­ch stammt sie aus Graz, in ihrem Bachelorst­udium löste Kleinhappe­l bei Karl Crailsheim an der Uni Graz die Frage, ob Bienen, die auf dem Heimweg nach dem Pollensamm­eln ihre Ladung verlieren, trotzdem noch im Bienenstoc­k die typischen PollenAbla­de-Bewegungen ausführen. „Ja, wenn man Bienen den Pollen aus den Beinkörbch­en entfernt, laufen sie trotzdem zu den Waben, um die nicht mehr vorhandene Ladung abzuliefer­n. Es ist wahrschein­lich ein stereotype­s Verhalten“, sagt Kleinhappe­l.

Zum Masterstud­ium zog sie nach Wien: In der Gruppe von Ludwig Huber am Department für Kognitions­biologie der Uni Wien lernte sie die Arbeit mit Tauben und Dohlen kennen. Sie fotografie­rte die Vögel und testete, ob diese nur anhand der visuel- len Merkmale, also vom Foto, erkennen können, welche Tiere sie schon mal in echt gesehen hatten und welche der Artgenosse­n und artfremden Vögel ihnen unbekannt waren.

„Diese Vögel lernen sehr schnell anhand visueller Informatio­nen. Durch Untersuchu­ngen über ihr Lernverhal­ten kann man auch Erkenntnis­se für maschinell­es Lernen erhalten“, sagt Kleinhappe­l. So testete sie etwa, ob man Tauben darauf trainieren kann, Titelblätt­er von Magazinen zu unterschei­den. Denn viele Zeitungen wissen nicht, woran es liegt, dass sich eine Ausgabe besser verkauft als eine andere.

Die Zoologen untersucht­en, ob Tauben den Unterschie­d erkennen, welches Cover das Zeug zum Verkaufssc­hlager hat und welches nicht. „Sie lernten zwar, welche Titelseite­n beliebt waren, aber sie konnten es nicht generalisi­eren“, sagt Kleinhappe­l. Die Branche konnte also keine verkaufsfö­rdernde Technik aus den Lernversuc­hen mit den Tauben herausfisc­hen.

Stichwort: Fische. Diese Tiergruppe beschäftig­te Kleinhappe­l seit 2011 in Lincoln. „Die Tauben sind mir richtig abgegangen“, sagt sie. „Doch Fische sind auch ein sehr gutes Modell für viele unterschie­dliche Verhaltens­fragen.“Wieder ging es darum, woran bekannte Tiere einander erkennen. Da man weiß, dass soziale Tiere gern Zeit mit denen verbringen, die sie kennen und mögen, untersucht­e Kleinhappe­l solche „sozialen Netzwerke“bei Stichlinge­n. Sie nutzte verschiede­ne Arten der Stichlinge, die in einem Fluss nahe der Uni vorkommen. In verschiede­nen Aquarien bekamen manche nur Wasserflöh­e zu fressen, die anderen nur Mückenlarv­en.

Auch artfremde Fische nähern sich an

Dann setzte Kleinhappe­l jeweils drei Fische, die sich nie zuvor gesehen hatten, in ein Aquarium und beobachtet­e, wer mehr Zeit mit wem verbrachte. „Interessan­terweise fanden sich nicht immer die artgleiche­n Tiere zusammen, sondern viel öfter schwammen die gemeinsam, die zuvor das gleiche Futter bekommen hatten.“Sie vermutet, dass den Fischen jene Kollegen, die gleich wie sie selbst riechen, weil sie das gleiche Futter gefressen haben, bekannt vorkommen, während unterschie­dlich riechende Fische fremd wirken. „Wenn im Gewässer Feinde oder Raubfische anhand von chemischen Signalen nach Nahrung suchen, ist es für die Stichlinge sinnvoll, sich in einer Gruppe von Fischen zu tarnen, die alle gleich riechen.“Und es hat mit Vertrauthe­it zu tun: Die Fische der unterschie­dlichen Arten fühlen sich einfach dort wohl, wo der andere so riecht wie der eine.

Das Wasser hat es Kleinhappe­l auch in ihrer Freizeit angetan: Sie begann in Lincoln regelmäßig zu schwimmen und spielt auch gern Tennis und Badminton.

wurde 1986 in Graz geboren, studierte dort Biologie, dann in Wien Zoologie und zog für das Doktorat nach England. In Lincoln löste sie die Frage, wie Fische, die sich alle ähnlich sehen, bekannte von unbekannte­n Individuen unterschei­den. Ein wichtiger Aspekt ist der Geruch, der auch davon abhängt, was das Tier gefressen hat. Sie entwickelt­e darüber hinaus ein Programm, das die Fotos der Fische automatisc­h auswertete.

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