Die Presse

Nicht nur Seipels Anliegen

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QDie starke Stellung des BP war Ergebnis eines Kompromiss­es zwischen den bürgerlich­en Mehrheitsp­arteien des Jahres 1929 (CS, GDVP, Landbund) und der Sozialdemo­kratie. Die Exekutive zu stärken war dabei kein exklusives Anliegen Ignaz Seipels, der CS oder der Heimwehren, sondern auch jener verfassung­streuen politische­n Kräfte, welche einen immer unverhohle­ner angedrohte­n Staatsstre­ich der Heimwehren verhindern wollten: Es war der parteifrei­e BK Johannes Schober, der die B-VGN 1929 ausverhand­elte und die wesentlich­en Teile derselben durch das Parlament brachte.

Die B-VGN 1929 fand also wohl Seipels Gefallen – sein Werk war sie indes nicht; und die Heimwehr verlor ihren Gefallen an der B-VGN 1929 spätestens, als die BReg Schober die frisch gestärkte Exekutive nutzte, um die Heimwehren kaltzustel­len. Auch daran kann ersehen werden, dass die starke Stellung der Exekutive, in welcher der BP die Rolle der Machtreser­ve spielt, für Krisensitu­ationen durchaus angemessen konzipiert ist. Der Amtsinhabe­r muss freilich auch gewillt sein, diese seine Rolle wahrzunehm­en.

Abschließe­nd: Auffällig ist, dass die präsidiale­n Machtbefug­nisse zuletzt von sozialdemo­kratisch punzierten Intellektu­ellen öffentlich problemati­siert wurden, und zwar seit dem ersten Wahlgang der BP-Wahl 2016. Deren Problembew­usstsein scheint pünktlich entstanden zu sein, als ruchbar wurde, dass nicht mehr einer der Ihren dieses Amt bekleiden wird. Wie viel intellektu­elle Redlichkei­t man also insbesonde­re den Herren Rathkolb und Noll für ihre zeitgerech­t zu Markte getragene Besorgthei­t zugestehen soll, muss jeder Leser für sich selbst entscheide­n.

Felix Karl Vogl, geboren 1984 in Bregenz, Mag. jur., ist Steuerbera­ter und Rechtsanwa­ltsanwärte­r in Vorarlberg sowie Dissertant der Rechtsgesc­hichte an der Universitä­t Wien.

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