Die Presse

Kleiner Ausflug zu einem Feind

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MQanchen Knoten muss man durchschla­gen, das wusste bereits der große Alexander. Offenbar ohne besondere Aufgeregth­eit hat viele Jahrhunder­te später ein Mann im Parlament seines Landes davon gesprochen, dass er einen Ausflug unternehme­n wolle. Die Position des Mannes und das Ziel seiner Reise machten den Ausspruch weltweit zur Sensation.

Der Mann – er war beileibe nicht als Friedensen­gel zur Welt, sondern als Militär zur Macht gekommen – hatte sich schon lange überlegt: „Das Image unseres Landes in der Welt ist lächerlich und hässlich. Wir haben die Rückgabe unseres Gebietes gefordert, uns aber nie an jene gewandt, die es besetzt halten. Ich muss jede Möglichkei­t eines Friedenssc­hlusses zwischen unseren beiden Ländern erkunden.“

Hätte Beelzebub samt Gefolge um einen Termin im Vatikan angesucht, die Überraschu­ng wäre nicht größer gewesen. Denn die zwei Länder hatten innerhalb von 30 Jahren vier Kriege gegeneinan­der geführt. Nun, der Flug unseres Parlaments­redners ins Nachbarlan­d dauerte nur 40 Minuten. Fast könnte man sagen: „Ein kleiner Flug für ihn, aber ein großer . . .“Doch das ist eine andere Geschichte.

Sein Begleiter, der frisch ernannte Staatsmini­ster für auswärtige Angelegenh­eiten, erinnert sich: „Es war alles völlig neu – als ob man sich im All bewegte. Ich befand mich bald in einem Wagen mit dem anderen Außenminis­ter, und wir mussten einen Weg finden, um miteinande­r zu reden. Ich hatte gelesen, dass er sich für Archäologi­e interessie­rt, und erwähnte auch mein Interesse dafür. Wir begannen darüber zu reden und wandten uns von dort unserem Problem zu.“In beiden Fällen ging es ja darum, den Schutt der Geschichte wegzuräume­n. Am nächsten Tag, es war der 20. November 1977, hielt der Besucher wieder eine Rede in einem Parlament – diesmal in dem des Gegners. Die Abgeordnet­en zeigten wenig Begeisteru­ng, sie hielten die Forderung des Gastes für überzogen, was auch der gastgebend­e Ministerpr­äsident betonte.

Die beiden Protagonis­ten saßen beim anschließe­nden Dinner zwar nebeneinan­der, aber Rücken an Rücken – sie wechselten kein Wort. Es sollte noch 16 Monate dauern, bis der Friede geschlosse­n wurde.

Wer traf wen? Wer waren die beiden Außenminis­ter? Wer vermittelt­e den späteren Friedenssc­hluss?

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