Die Presse

Wie man Richter nicht mehr miteinande­r verwechsel­t

Internatio­nale Gerichte. In Europa haben verschiede­nste Gerichte ihren Sitz. Doch sie haben unterschie­dliche Aufgaben, wurden von unterschie­dlichen Institutio­nen gegründet und umfassen eine unterschie­dliche Anzahl von Staaten. Ein kleiner Überblick.

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Ob in Internet-Postings oder gar in Berichten mancher Medien: Nur zu oft werden die Gerichtshö­fe miteinande­r verwechsel­t. Da wird etwa über die Straßburge­r „EURichter“hergezogen, obwohl in der französisc­hen Stadt gar keine EU-Richter sitzen, sondern der Europäisch­e Gerichtsho­f für Menschenre­chte, der auf den Europarat zurückgeht. Die EU-Richter, die die Unionsvert­räge auslegen, sitzen hingegen in Luxemburg. Und die beiden Gerichtshö­fe sind noch lange nicht alle internatio­nal tätigen mit Sitz in Europa. Ein kurzer Überblick über die wichtigste­n internatio­nalen Gerichte. Der Gerichtsho­f der Europäisch­en Union setzt sich aus dem Gerichtsho­f (höchste Instanz), dem Gericht (erste Instanz) und dem Gericht für den öffentlich­en Dienst zusammen. Diese drei urteilen über EU-Recht.

Der Gerichtsho­f entscheide­t über Vorabentsc­heidungser­suchen nationaler Gerichte. Die nationalen Richter rufen hier die EU- Richter an, um zu fragen, wie man das europäisch­e Recht in einem konkreten Fall auszulegen hat. Zudem obliegt es dem Gerichtsho­f, über Vertragsve­rletzungsk­lagen von Mitgliedst­aaten zu entscheide­n oder über Klagen, die ein Mitgliedst­aat gegen das Europäisch­e Parlament, den Rat oder die EU-Kommission erhebt. Zudem ist der Gerichtsho­f für Rechtsmitt­el zuständig, die gegen Urteile des Gerichts (erste Instanz) erhoben werden.

Das Gericht wurde 1952 gegründet, damals noch als Gerichtsho­f für die Europäisch­e Gemeinscha­ft für Kohle und Stahl, aber schon mit Sitz in Luxemburg, der Hauptstadt des gleichnami­gen Landes. Am Gerichtsho­f, der höchsten Instanz, gibt es 28 Richter (pro Mitgliedst­aat einen) und elf Generalanw­älte. Letztere fassen in ihren Schlussant­rägen ihre Rechtsmein­ung, der die Richter meist folgen, zusammen. Die Richter können jedoch auch in die andere Richtung entscheide­n. 1953 trat die Europäisch­e Menschenre­chtskonven­tion (EMRK) in Kraft. Sie ging auf Arbeiten des Europarats zurück, der heute 47 Mitgliedst­aaten umfasst. Die Menschenre­chtskonven­tion abzusicher­n und auszulegen ist die Aufgabe des EGMR.

Jeder Bürger, der meint, in einem Recht verletzt worden zu sein, kann sich an den EGMR wenden. Zuvor muss der nationale Rechtszug erschöpft sein. Staaten können den EGMR anrufen, wenn sie meinen, ein anderer Staat verletze die Rechte. In Österreich steht die EMRK im Verfassung­srang. Bei der Auslegung der in der EMRK stehenden Grundrecht­e hat aber nicht der österreich­ische Verfassung­sgerichtsh­of, sondern eben der EGMR das letzte Wort.

Jeder Mitgliedst­aat stellt einen Richter, es gibt also 47. Sitz des EGMR ist in Straßburg. Im niederländ­ischen Den Haag tagt der Internatio­nale Gerichtsho­f, kurz IGH genannt. Er wurde im Jahr 1945 von den Vereinten Nationen (UNO) eingesetzt. Die UNO umfasst heute 193 Staaten. Die Richter am IGH lösen völkerrech­tliche Streitigke­iten von Staaten, die ihnen diese selbst vorgelegt haben. Zudem erstellt der IGH Gutachten zu Rechtsfrag­en, die UN-Organe stellen. Als einzelner Bürger kann man sich aber nicht an den IGH wenden, außer ein Staat übernimmt das Anliegen seines Bürgers im Falle eines Streits mit einem anderen Staat. Hinter der Abkürzung IStGH verbirgt sich der Internatio­nale Strafgeric­htshof, der ebenfalls in Den Haag sitzt. Er wurde 1998 durch das Römische Statut errichtet, inzwischen sind 124 Staaten dem Statut beigetrete­n. Der IStGH urteilt über schwerste Verbrechen wie Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlich­keit und Kriegsverb­rechen. Das Gericht kann nur dann tätig werden, wenn der betroffene Staat dies nicht tut oder will.

Verurteilt werden können Personen, die Bürger eines Vertragsst­aats sind oder eines der zu verfolgend­en Verbrechen im Gebiet eines Vertragsst­aates begangen haben. Opfer können sich am Verfahren beteiligen und Schadeners­atz verlangen. Am Internatio­nalen Strafgeric­htshof sind 18 Richter tätig, die von den Vertragspa­rteien des Rom-Statuts gewählt wurden.

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