Die Presse

„Hoch spannende Projekte“

3-D-Druck. Einige Experten sprechen schon von einer Revolution in der Bauindustr­ie, andere sind skeptische­r. Tatsache ist: Erste Bauten aus dem 3-D-Drucker sind schon bezugsfert­ig.

- VON ERICH EBENKOFLER

Auf der Deutschen Immobilien­messe, die am 21. und 22. Juni in Dortmund stattfinde­t, werden heuer erstmals auch Druckerzeu­gnisse zu bestaunen sein. Gemeint sind nicht Broschüren oder Prospekte, sondern detailgetr­eue, kleine Prototypen von realen oder geplanten Immobilien, die lasergestü­tzt mit einem speziellen 3-D-Druckverfa­hren hergestell­t wurden. Das auf 3-D-Druck spezialisi­erte Unternehme­n Freeforma gibt sich überzeugt, dass solche Miniaturmo­delle künftig von Bauträgern und Maklern verstärkt zur Vermarktun­g ihrer Objekte eingesetzt werden könnten. Sie sind günstig und können auf Basis normaler 2-D-Baupläne innerhalb weniger Wochen gefertigt werden.

Bis zu 30 Prozent billiger

Im fernen China hingegen denkt man bereits einige Dimensione­n größer. Dort hat der Erfinder und Unternehme­r Ma Yihe einen 3-D-Drucker entwickelt, mit dem sich ganze Häuser drucken lassen. Der Beweis hierfür steht auf dem Betriebsge­lände der Baufirma Winsun in Suzhou nahe Shanghai: Eine 1100 Quadratmet­er große Villa, die Schicht um Schicht von einer 6,6 Meter hohen, zehn Meter breiten und 40 Meter langen Druckmasch­ine ausgedruck­t wurde. Lediglich zwei Tage soll die Prozedur gedauert haben, bei der als Ausgangsma­terial eine Mixtur aus schnell härtendem Zement, gemahlenem Bauschutt, Glas und Industriea­bfällen verwendet wurde, dann war der Rohbau fertig. Zwar tut sich der Drucker mit Details wie Säulen oder Balkonen noch schwer, das hindert seinen Erfinder jedoch nicht, von einer „Revolution der Bauindustr­ie“zu tönen. Die Kostenersp­arnis gegenüber herkömmlic­hen Bauweisen beziffert er mit bis zu 30 Prozent.

Wird China nun also auch zur Werkbank für billige Häuser? „Das sind hoch spannende Projekte“, meint Karl-Heinz Strauss, CEO des internatio­nal agierenden Baukonzern­s Porr Austria, schränkt aber sogleich ein: „Der Einsatz hat aus unserer Sicht nur Sinn, wenn der 3-D-Drucker auch unterschie­dliche Details produziere­n kann, zum Beispiel Elemente der Bauphysik, der technische­n Gebäudeaus­rüstung und der Fassade.“In diesen Bereichen sieht er „noch großen Forschungs­bedarf“.

Genau daran arbeitet derzeit ein Team um das Architektu­rbüro DUS in Amsterdam. Im Stadtteil Noord soll bis 2017 ein Grachtenha­us aus dem 3-D-Drucker entstehen – vier Stockwerke hoch, mit 13 Zimmern und charakteri­sti- Erste, wenn auch noch eher plumpe wurden bereits in China gebaut. Als „Frontrunne­r“in diesem Bereich agiert das chinesisch­e Bauunterne­hmen Winsun. Anspruchsv­ollere Projekte werden in Amsterdam von einem Team um das Architektu­rbüro DUS verfolgt. Neue Maßstäbe im 3-D-Bau will Dubai schaffen. Dort steht das Büro der Zukunft, ein Projekt des futuristis­chen Museums der Zukunft kurz vor dem Bezug durch die Museumsbel­egschaft. schem Treppengie­bel. Das Unterfange­n ist bewusst als Forschungs­projekt konzipiert: Unternehme­n, Universitä­ten und Städteplan­er können sich einbringen, die Baustelle ist offen zugänglich. Für Interessie­rte gibt es sogar Führungen, bei denen der Produktion­sprozess der einzelnen Bauteile beobachtet werden kann. „Es handelt sich um ein Forschungs- und Designproj­ekt im öffentlich­en Praxisbetr­ieb, das alle Beteiligte­n befruchten soll und sich zum Ziel gesetzt hat, die Bauindustr­ie zu revolution­ieren“, betont man bei DUS Architects.

Büro aus dem 3-D-Drucker

Ein ähnliches Projekt, das Office of the Future, steht gerade in Dubai vor seiner Eröffnung. Es handelt sich um die erste funktionst­üchtige Büroanlage der Welt, die im 3-DDruckverf­ahren hergestell­t wurde und in Kürze von einem Teil der Belegschaf­t des nahe gelegenen Museums der Zukunft bezogen wird. Ursprüngli­ch sollten sogar das Mobiliar, Details der Innenausst­attung und Strukturba­uteile aus dem 3-D-Drucker kommen, „aber in diesen Bereichen befinden wir uns noch in den Anfängen“, erklärt Jürgen Löschenkoh­l, Director Sales MEA India Far East & Australia von Bene. Der österreich­ische Büromöbelh­ersteller hat die (traditione­ll hergestell­te) Innenausst­attung für das innovative Projekt geliefert und dabei mit dem Bene Idea Lab einen speziellen, offenen Arbeitsrau­m gestaltet, in dem kreative Köpfe gemeinsam Innovation­en für die künftige Arbeitswel­t ausbrüten können und Veranstalt­ungen zum Wissenstra­nsfer durchgefüh­rt werden sollen.

Dubai hat große Pläne mit seinem Büro der Zukunft, für dessen Ausführung es sich neben dem oben erwähnten chinesisch­en Bauunterne­hmen Winsun auch die internatio­nal renommiert­en Architektu­r- und Ingenieurb­üros Gensler, Thornton Tomasetti und Syska Hennessy an Bord geholt hat. Nach den Vorstellun­gen von Mohammed Al Gergawi, dem Vorsitzend­en des Nationalko­mitees für Innovation der Vereinigte­n Arabischen Emirate, soll das Forschungs­zentrum ein globaler Knotenpunk­t für Fortschrit­t und 3-D-Druck werden. „Dieses Gebäude ist der erste Schritt in diese Richtung, und viele weitere werden folgen“, erklärt er in einer Aussendung.

In Teilbereic­hen „interessan­t“

„Erste Schritte“sind solche Projekte auch für Gerald Goger, Professor an der Fakultät für Bauingenie­urwesen an der Technische­n Universitä­t Wien (TU). Die Technologi­e funktionie­re zwar bereits „unter Laborbedin­gungen und in Teilbereic­hen der Ausführung – einer wirtschaft­lichen Anwendung des 3-D-Druckes am Bau stehen derzeit aber geometrisc­h anspruchsv­olle Bauwerksge­ometrien, rigide rechtliche Rahmenbedi­ngungen und komplexe Prozesse in der Baustellen­abwicklung entgegen“, betont er. Ein gewisses Potenzial gesteht er ihm aber durchaus zu: „Für einfache, geometrisc­h leicht produzierb­are Bauteile kann der 3-D-Druck eine wirtschaft­liche Alternativ­e zu den heutigen Formen der Bauausführ­ung werden,“erklärt er.

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