Die Presse

Batterie mit Schiebetür­e

Fahrberich­t. Der Nissan e-NV200 ist für das städtische Verkehrstr­eiben überragend geeignet. Anders als seine Artgenosse­n ist er auch für Transporte und Bike-Ausflüge zu Diensten. Am beeindruck­endsten aber: Wie viel Spaß das Fahren macht.

- VON TIMO VÖLKER

Der rein elektrisch­e Nissan e-NV200 ist für das städtische Verkehrstr­eiben überragend geeignet.

Die erste Generation der neuzeitlic­hen Elektroaut­os amüsierte uns, wenn wir nicht gerade im Zustand der Reichweite­npanik fieberten. Es waren Vehikelche­n wie der finnische Think! und der Mitsubishi i-MiEV samt seiner Derivate von Citroen¨ und Peugeot.

Irgendwo musste ja mit dem neuerliche­n Anlauf des E-Autos begonnen werden, das fast so alt ist wie das Auto selbst.

Es verdichten sich die Indizien, dass es diesmal bei uns bleiben und den Fuhrpark auf unseren Straßen nachhaltig durchmisch­en wird. Da gibt es weltweit emissionsg­esetzliche Vorgaben, die den Hersteller­n gar keine Wahl lassen, und viele der bedeutende­n, die längste Zeit widerständ­igen Player haben das E-Auto tatsächlic­h von der Sonntagsre­de in die Entwicklun­gszentren transferie­rt. Die elektrisch­en Autoneuhei­ten werden die spektakulä­rsten der nächsten Jahre sein. Schon 2017 geht es los.

Am sichersten macht uns aber die Kürze der Zeitspanne, die zwischen dem unsägliche­n Think! von 2010 und beispielsw­eise dem formidable­n Nissan e-NV200 von heute liegt. Bei etwa gleichem Preisnivea­u hat sich die Reichweite mehr als verdoppelt, die Motorleist­ung deutlich erhöht und der Nutzwert ungefähr verfünffac­ht. Dass Elektroaut­ofahren Spaß macht, sollte jeder schon als Kind im Prater beim Autodrom gelernt haben.

Preisfrage noch knifflig

Die Preisfrage bleibt jedoch knifflig, und auch wenn der Nissan weit mehr als bloß zumutbar ist, so kostet er doch 20 bis 25 Prozent mehr, als er kosten sollte.

Das gilt für praktisch alle E-Autos auf dem Markt und liegt an ihrer geringen Verbreitun­g, die den Hersteller­n wiederum keine Skaleneffe­kte ermöglicht. Um über diesen Berg zu kommen, braucht es staatliche­n Anschub, und diesen gibt es auch vielfach, seit Kurzem in Deutschlan­d (5000 Euro Kauf- prämie) und schon bald wohl auch in Österreich. Wen das empört, der möge bitte die steuerlich­e Bevorzugun­g von Dieselkraf­tstoff argumentie­ren.

Nun aber schnell ans Steuer des dezent surrenden Nissans, den wir nach Ablauf der Testdauer und knapp 600 Kilometern nur sehr unwillig retournier­ten. Das Auto ist für das städtische Verkehrstr­eiben so überragend geeignet, dass daraus ein Suchtfakto­r entsteht.

Das liegt an der enormen Spritzigke­it, die dem E-Antrieb grundsätzl­ich innewohnt, an der lässigen Bedienung mit nur einem Pedal, weil man damit neben dem Beschleuni­gen die allermeist­e Zeit über auch rekuperier­end das Bremsen übernimmt, und dem Fahrzeugfo­rmat, das einen hoch sitzen und große Mengen an Mensch und Material verstauen lässt – entweder bis zu sieben Personen mit etwas Gepäck oder Bike- Ausflüge/Umzüge als Zweisitzer mit transporte­rgroßem Laderaum. Die hinteren Schiebetür­en sind immer ein Gewinn, weil sie den Zugang maximal freigeben.

Versatiler Crossover

Das unterschei­det den e-NV200 markant vom Leaf, der die komplette Antriebste­chnik spendet. Der Leaf hat seine Meriten, aber auch den Makel, einer nicht mehr allzu attraktive­n Fahrzeugkl­asse anzugehöre­n. Diese kommt auch so bald nicht wieder in Mode. Dahingegen blüht das elektrisch­e Antriebsko­nzept in Form des versatilen Crossover förmlich auf.

Auch mit dem als Pkw oder Lieferwage­n erhältlich­en NV200 als Benziner oder Diesel hat der elektrisch nur in Vollaussta­ttung ausgeliefe­rte Evalia beschränkt­e Gemeinsamk­eiten. Nicht nur der Antriebsst­rang, auch die Vorderachs­e ist dem Leaf entnommen, wodurch der e-NV eine größere Spurweite hat (vorn plus 40 mm, hinten plus 20 mm) – das lässt ihn samt verbreiter­ter Kotflügel nicht nur etwas gefälliger dastehen, das fühlt sich auch in Kurven profunder an.

Die Lithium-Ionen-Batterie mit 24 kWh Kapazität ist mittig in der Bodengrupp­e untergebra­cht, das Mehrgewich­t von je nach Ausstattun­g mindestens 100 kg ist durch das Mehr an Power leicht kompensier­t. Bei gleicher Leistung hat der e-NV200 deutlich mehr Drehmoment als der Diesel – wie man das von E-Motoren weiß, ist es praktisch augenblick­lich voll verfügbar.

Das macht einen zu den schnellste­n Ampelstart­ern, wenn man es darauf anlegt. Auch Zwischensp­urts fallen eindrucksv­oll aus – ihrer ansatzlose­n Vehemenz, aber auch eleganten Lautlosigk­eit wegen. Bis das Ortsgebiet zur Neige geht. Ist man in der Peripherie noch hervorrage­nd unterwegs, zählen Autobahnen zu den weniger vergnüglic­hen Abschnitte­n.

Doch längeres Überland ist keine Unmöglichk­eit. Smatrics hat ein brauchbare­s Netz an den maßgeblich­en Achsen durch das Land aufgezogen, und per Chademo-Stecker rauschen 50 kW durch die Leitung. Somit hält einen ein durchschni­ttlicher Raststätte­naufenthal­t für die nächste Etappe im Sattel.

In der Stadt kamen wir als klassische Laternenpa­rker stressfrei über die Runden – nur die Supermarkt-Präferenz hat sich verschoben, was an der Ausstattun­g mit Ladesäulen liegt. Teil des NissanSmat­rics-Deals: Das Laden ist ein Jahr lang gratis. Auch ein Wort.

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[ Fabry] Niedliches Reifenform­at, Antrieb, Vorderachs­e und die breitere Sour vom Leaf: Nissan e-NV200.
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[ Fabry] Hereinspaz­iert: Für hinten hat der e-NV200 zwei Schiebetür­en und eine Klappe.

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