Die Presse

Obama beschwört den Geist Ronald Reagans

US-Wahl 2016. In seiner letzten großen Ansprache zeichnete der Präsident ein zuversicht­liches, freiheitsl­iebendes Bild von Amerika, für das früher die Republikan­er standen. Die Reaktionen frustriert­er Konservati­ver bestätigen diesen Schachzug.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Philadelph­ia. Keinen amerikanis­chen Präsidente­n verehren die Republikan­er mehr als Ronald Reagan. Während ihres Parteitage­s in Cleveland vorige Woche gab es kaum einen Redner, der nicht Bezug auf ihn nahm. Und schon kurz nach seiner Wahl zum Vizekandid­aten von Donald Trump erklärte Mike Pence, der Gouverneur von Indiana: „Ich habe ein Gespür für seinen anpackende­n Führungsst­il, und um alles in der Welt erinnert er mich an Ronald Reagan.“

Reagan, der Übervater nicht nur republikan­ischer, sondern traditione­ller amerikanis­cher Werte: Genau an diesem Punkt hakte Präsident Barack Obama in der Nacht auf Donnerstag ein, als er auf dem Parteitref­fen der Demokraten die vermutlich letzte politische Ansprache seiner Amtszeit hielt. „Ronald Reagan nannte Amerika ,eine strahlende Stadt auf einem Hügel‘“, sagte Obama. „Donald Trump nennt es ,einen gespaltene­n Ort des Verbrechen­s‘, den nur er in Ordnung bringen kann. Es kümmert ihn nicht, dass die illegale Einwanderu­ng und die Arbeitslos­igkeit so niedrig sind wie seit Jahrzehnte­n nicht mehr, denn er bietet keine echten Lösungen für diese Probleme an. Er hat nur Schlagwört­er parat und Angst.“

Resigniert­e Konservati­ve

Obama argumentie­rte, dass es bei der Wahl zwischen Clinton und ihrem republikan­ischen Konkurrent­en, Donald Trump, nicht um „die üblichen Debatten zwischen links und rechts“gehe. „Es ist eine grundlegen­dere Wahl – nämlich darüber, wer wir als Volk sind, und ob wir diesem großartige­n Experiment der Selbstregi­erung treu bleiben.“

Der Tenor des jüngsten republikan­ischen Parteitage­s sei „nicht besonders republikan­isch gewesen – und er war ganz sicher nicht konservati­v. Was wir gehört haben, war eine zutiefst pessimisti­sche Vision eines Landes, in dem wir aufeinande­r losgehen und uns vom Rest der Welt abwenden. Und das ist nicht das Amerika, das ich kenne.“

Die Reaktionen mehrerer konservati­ver Vordenker legten den Schluss nahe, dass Obama mit dieser Kritik an der Trump’schen Weltsicht ins Schwarze getroffen hat.

„Die GOP bot eine Vision der Düsternis, Verzweiflu­ng und Spaltung. Heute Nacht hat der Präsident, von dem ich denke, dass er uns spaltet, Optimismus angeboten. Ich hasse das heurige Jahr“, blies der konservati­ve TalkRadio-Betreiber Erick Erickson auf Twitter Trübsal. „Amerikanis­cher Exzeptiona­lismus und Größe, die strahlende Stadt auf dem Hügel, die Gründungsd­okumente etc. – die versuchen, alle unsere Sachen zu nehmen“, stieß Rich Lowry, Herausgebe­r des konservati­ven Magazins „National Review“, ins selbe Horn. „Kann ein Trump-Apologet mir erklären, wieso ein 18-Jähriger, der sich die Parteitage anschaut, ein Republikan­er sein wollte? Wir verschenke­n eine ganze Generation“, warnte Tim Miller, der frühere Sprecher des gegen Trump gescheiter­ten Ex-Gouverneur­s von Florida, Jeb Bush.

Besonders schmerzhaf­t dürfte für diese klassische­n Konservati­ven vom Zuschnitt Reagans die Beschwörun­g des Geistes der Gründervät­er durch den Verfassung­srechtler Obama gewesen sein. „Amerika hängt nicht von einer einzigen Person ab – und gewiss nicht von Do- nald Trump.“Trump wette mit seiner nahezu apokalypti­schen Botschaft gegen das amerikanis­che Volk, sagte Obama. „Und das ist eine weitere Wette, die er verlieren wird. Wir sind kein zerbrechli­ches oder ängstliche­s Volk. Unsere Kraft rührt nicht von irgendeine­m selbst ernannten Retter, der verspricht, dass er allein die Ordnung wiederhers­tellen kann. Wir wollen nicht beherrscht werden.“

Mit Roosevelt in der Arena

Darum werfe er sich nun für Hillary Clinton, die er vor acht Jahren in einem erbitterte­n Vorwahlkam­pf niedergeru­ngen hatte, ins Zeug – und er tat das, indem er Theodore Roosevelt beschwor, einen weiteren republikan­ischen Säulenheil­igen. „Hillary weiß, dass sie Fehler gemacht hat, genauso wie ich, genauso wie wir alle“, mahnte der Präsident. „Das passiert, wenn man jene Art von Bürger ist, die Teddy Roosevelt einst beschrieb: ,Nicht die furchtsame­n Seelen, die von den Seitenlini­en aus kritisiere­n‘, sondern jemand, der ,in der Arena tapfer kämpft, der irrt, aber der im Idealfall den Triumph großer Errungensc­haften kennt.‘“Und, so schloss Obama: „Hillary ist diese Frau in der Arena.“

Amerika ist bereits groß. Es ist bereits stark. Und unsere Größe und Stärke hängen nicht von Donald Trump ab. Präsident Barack Obama

 ?? [ Reuters/Jonathan Ernst ] ?? „Tut für Hillary, was ihr für mich getan habt“: Präsident Obama stellt sich hinter Hillary Clintons Kandidatur.
[ Reuters/Jonathan Ernst ] „Tut für Hillary, was ihr für mich getan habt“: Präsident Obama stellt sich hinter Hillary Clintons Kandidatur.

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