Die Presse

Hinkley Point C wird trotz Brexit gebaut

Großbritan­nien. Der französisc­he Bauträger EDF hält an dem Kraftwerk fest. Die Klage Österreich­s vor dem EuGH ist nach dem Brexit wohl hinfällig.

- Von unserem Korrespond­enten GABRIEL RATH

London. Die wirtschaft­liche Situation in Großbritan­nien ist seit dem Votum für einen EUAustritt bekannterm­aßen äußerst unsicher – doch der französisc­he Energiekon­zern EDF hält trotz des bevorstehe­nden Brexit am Bau des umstritten­en Atomkraftw­erks Hinkley Point C in Südengland fest. Das endgültige Ja des Energiegig­anten EDF als Bauträger und künftiger Betreiber des 18-Milliarden-PfundProje­kts (21,4 Milliarden Euro) sollte gestern, Donnerstag, Abend in einer Vorstandss­itzung in Paris fallen. „Hinkley Point C ist ein einzigarti­ger Vermögensw­ert für die französisc­he Industrie“, erklärte EDF bereits vor der Entscheidu­ng. Österreich hat im Vorjahr gegen das Projekt eine Klage vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH) wegen verbotener Subvention­en eingebrach­t. Diese Klage aber dürfte nach der Entscheidu­ng der Briten für den EU-Austritt hinfällig werden. Für London bedeutet der Beschluss aus Paris jedenfalls gute Neuigkeite­n. Die Regierung wirbt derzeit weltweit, dass Großbritan­nien weiterhin „open for business“sei.

Schon vor dem Brexit hatte sich die Regierung massiv um den Bau des AKW bemüht. London garantiert den Betreibern von Hinkley Point C einen Abnahmepre­is von 92,5 Pfund pro MW/h Elektrizit­ät für die Dauer von 35 Jahren. Als diese Zusage im Oktober 2013 gegeben wurde, lag der Marktpreis bei 54 Pfund für eine Megawattst­unde Strom. Aktuell beträgt er sogar nur 43 Pfund. Der britische Rechnungsh­of hat zuletzt einen Bericht veröffentl­icht, demzufolge das 3,2-GigawattKr­aftwerk die Konsumente­n des Landes am Ende mehr als 30 Milliarden Pfund kosten wird. Die Umweltschu­tzorganisa­tion Greenpeace spricht vom „teuersten Objekt auf der Erde“.

Dennoch hält auch die britische Regierung an dem Kraftwerk fest. Der zuständige Energiemin­ister, Greg Clark, erklärte in der Vorwoche: „Neue Nuklearene­rgie ist ein wesentlich­er Teil unserer Pläne für ein sicheres, sauberes und leistbares Energiever­sorgungssy­stem.“Nach der für 2025 erwarteten Inbetriebn­ahme des Kraftwerks soll Hinkley Point C bis zu sieben Prozent der britischen Elektrizit­ät liefern und 60 Jahre am Netz bleiben. Die Errichtung schafft 25.000 Arbeitsplä­tze in Somerset, einer struktursc­hwachen Region Südengland­s. Die Gewerkscha­ften unterstütz­en den Bau vehement.

Derzeit stellt Großbritan­nien 38 Prozent seines Stroms aus Gaskraftwe­rken, 25 Prozent aus erneuerbar­en Energien, 20 Prozent aus Atomkraftw­erken und 16 Prozent aus Kohle her. Aus ökonomisch­en und ökologi- schen Gründen muss in den nächsten Jahren eine ganze Flotte alter Kraftwerke ersetzt werden. Dabei hat sich das Land für den völligen Ausstieg aus der Kohle entschiede­n und baut stattdesse­n vor allem auf Atom und Gas. Die Subvention­en für erneuerbar­e Energien werden dagegen gestrichen, in der Solarindus­trie gingen 12.000 Jobs verloren. EDF (E´lectricite´ de France), zu 85 Prozent im Eigentum des französisc­hen Staats, erwarb im Jahr 2009 die staatliche britische Atomenergi­egesellsch­aft British Nuclear und damit 15 Reaktoren im Land.

Umstritten­e Technologi­e

Wegen der hohen Kosten von Hinkley Point ist seit 2015 auch die staatliche chinesisch­e Atomgesell­schaft CGN mit 33,5 Prozent an dem Projekt beteiligt. Das hat zu Sicherheit­sbedenken geführt. Umstritten ist auch die Technologi­e: Der von EDF geplante European Pressurise­d Reactor (EPR) ist bisher nirgendwo erfolgreic­h ans Netz gegangen.

Das Projekt ist bereits von jahrelange­n Verzögerun­gen gekennzeic­hnet. Nach dem ursprüngli­chen Regierungs­beschluss für den Ausbau der Atomkraft in Großbritan­nien im Juli 2006 versprach der damalige EDF-Chef, die Briten würden „bis spätestens 2017 ihren Weihnachts­truthahn mit Atomstrom braten“. Die EU-Kommission gab im Oktober 2014 ihr grünes Licht. Nun soll das Kraftwerk 2025 ans Netz gehen.

 ?? [ AFP] ?? Computeran­imation: So sollen die beiden Reaktoren von Hinkley Point C aussehen.
[ AFP] Computeran­imation: So sollen die beiden Reaktoren von Hinkley Point C aussehen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria