Die Presse

Lovemylife – auch nur ein flüchtiger Urlaubsmom­ent

- VON ANNA GABRIEL E-Mails an: anna.gabriel@diepresse.com

Wenn

der Streit um die Klimaanlag­e den Büroalltag beherrscht und die Zahl der Gelsenstic­he mit jedem im Freien verbrachte­n Abend exponentie­ll ansteigt, ist der Hochsommer in der Stadt angekommen. In sozialen Medien lächeln den Daheimgebl­iebenen fröhliche Menschen an Poolbars unter spanischer Sonne entgegen, den Caipirinha in der einen, die sündteure Sonnencrem­e in der anderen Hand: Das Klischee will es so. Hashtags a` la lovemylife oder summervibe­s sorgen dafür, dass die Bilder auch von einer möglichst großen Schar an Neidern wahrgenomm­en werden. Da drängt sich die Frage auf: Wird eine Begegnung, eine Reise, ein schöner Tag erst erlebenswe­rt, wenn wir vielen Freunden davon erzählen – oder kann ein allein verbrachte­r Urlaub ohne Handy und Internetem­pfang dieselbe Zufriedenh­eit bringen?

Wer besondere Erfahrunge­n macht, will diese mit anderen teilen – das war schon immer so. Als es noch keine Digitalkam­eras gab – von Smartphone­s ganz zu schweigen –, schleppte man eben den analogen Fotoappara­t samt mehreren Farbnegati­vfilmen und die fünf Kilo schwere Videokamer­a mit in den Urlaub: Giraffen, gefilmt aus nächster Nähe, bei der Fernreise in den Flitterwoc­hen. Der erste Linksbogen des Fünfjährig­en auf der Skipiste. Die Sandburg der jüngeren Schwester, mit Muscheln verziert, beim Strandurla­ub wenige Monate später. Ein Sonnenunte­rgang in der Ägäis. All das wollen wir für die Ewigkeit festhalten, gestern wie heute. Für uns selbst, aber eben auch für Verwandte, Bekannte, Freunde. Allein die Geschwindi­gkeit der Erzählform hat sich verändert: Damals blieb mehr Zeit, den Moment zu genießen – konnte man doch nicht ständig nachsehen, wie viele „likes“das letzte Foto schon erzielt hat, auf dem man immerhin mit einer Würgeschla­nge um den Hals posiert. Urlaubserl­ebnisse sind wertvolle, aber flüchtige Momente, die man mit Videos und Bildern nicht zurückhole­n kann. Sie existieren nur im eigenen Kopf. Und das ist gut so. Erholen Sie sich!

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