Die Presse

„Wenn niemand zahlt, muss es weg

Energie. Der Verbund will das unrentable Kraftwerk Mellach verkaufen oder stilllegen. Die Verbund-Tochter APG fordert ein Vetorecht. Jetzt soll der Staat das Kraftwerk retten.

- VON MATTHIAS AUER

Wien. 17 Millionen Euro. Mehr ist vom 550 Millionen Euro teuren Gaskraftwe­rk, das der Verbund vor fünf Jahren in das steirische Mellach gestellt hat, in den Büchern des Konzerns nicht geblieben. Bei Strompreis­en von etwa 31 Euro pro Megawattst­unde ist Mellach kaum rentabel zu betreiben, das Kraftwerk läuft nur sporadisch und schreibt regelmäßig Verlust. Bis Jahresende will Verbund-Chef Wolfgang Anzengrube­r endlich eine Lösung auf dem Tisch haben. Die Optionen: Verkaufen, einmotten oder in einzelnen Teilen abverkaufe­n. Vor zwei Wochen ist die Angebotsfr­ist für Mellach abgelaufen. Interessen­ten gibt es genug, doch nun muss Anzengrube­r mit Gegenwind aus den eigenen Reihen kämpfen.

Ulrike Baumgartne­r-Gabitzer, Chefin der Verbund-Tochter Austrian Power Grid (APG), will im Fall eines Verkaufs oder gar einer Stilllegun­g des Kraftwerks nämlich noch ein gewichtige­s Wörtchen mitreden. Mit der APG ist sie für die Stabilität des heimischen Stromnetze­s verantwort­lich, sorgt also dafür, dass der Strom am Fließen bleibt und Netzausfäl­le verhindert werden. Dafür ist sie jedoch auf Gaskraftwe­rke wie Mellach angewiesen, um schnell genug reagieren zu können, wenn die vielen neuen Wind- und Solaranlag­en viel mehr oder weniger Strom liefern als erwartet. Baumgartne­r-Gabitzer will Veto einlegen dürfen, wenn Stromverso­rger solche Kraftwerke vom Netz nehmen wollen.

Ihr Konzernche­f, Wolfgang Anzengrube­r, sieht das denkbar anders: „Es ist schwer vor- stellbar, dass die Tochter der Mutter sagt, was sie tun darf und was nicht“, betont er. Derartige Wünsche müssten von der Politik kommen – und entspreche­nd bezahlt werden. „Mellach hat eine strategisc­he Bedeutung für den heimischen Strommarkt“, ist Anzengrube­r überzeugt. „Aber wenn niemand dafür bezahlt, muss es weg.“

In anderen Ländern Europas gibt es derartige Modelle schon länger. Spanien und Deutschlan­d bezahlen die Betreiber von bestimmten Gaskraftwe­rken etwa dafür, dass sie ihre Anlagen am Netz lassen. Berlin hat den Netzbetrei­bern zudem die Möglichkei­t eingeräumt, als Ultima Ratio auch eigene Kraftwerke zur Stabilisie­rung der Netze zu errichten. Das ist in Österreich derzeit gesetzlich nicht möglich und würde wohl auch die letzten Reste des freien Markts in der Energiebra­nche vernichten. Mögliche Zuschüsse für strategisc­h relevante Kraftwerke werden hingegen ernsthaft überlegt.

E-Control: „Das Kraftwerk ist nagelneu“

In den zuständige­n Ministerie­n signalisie­rt man hinter den Kulissen Gesprächsb­ereitschaf­t, verweist allerdings darauf, dass für notwendige Gesetzesän­derungen eine Zweidritte­lmehrheit notwendig sei. Andreas Eigenbauer, Vorstand des Energiereg­ulators E-Control, wird konkreter: „Bevor wir das entscheide­n, müssen wir wissen, welche Kraftwerke wir in 15 Jahren überhaupt im Land haben wollen“, sagt er zur „Presse“. Nur noch Ökostroman­lagen, wie es etwa die Grünen fordern? Oder doch auch ein paar Gaskraftwe­rke zur Stabilisie­rung der Netze? Erst wenn das geklärt sei, könne man überlegen, wie man den erwünschte­n Anlagen das Überleben ermöglicht. Ob Mellach in den Genuss staatliche­r Zuschüsse kommen sollte, ist aus seiner Sicht eindeutig: „Das Kraftwerk ist nagelneu und hat noch 40 Jahre vor sich“, sagt Eigenbauer. „Ich kann mir nicht gut vorstellen, dass es verschwind­et.“

Das Überangebo­t an geförderte­m Ökostrom belastet nicht nur die Netze. Auch der teilstaatl­iche Verbund musste aufgrund der gesunkenen Strompreis­e im ersten Halbjahr 90 Millionen Euro an Wertberich­tigungen vornehmen. Der operative Gewinn sank um 37,2 Prozent auf 190,8 Millionen Euro. Das Unternehme­n reagiert mit weiteren Jobkürzung­en und geringeren Investitio­nen. Im Jahr 2020 werden damit 800 Menschen weniger beim Verbund arbeiten als noch 2013.

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[ Reuters] Verbund-Chef Wolfgang Anzengrube­r will Geld sehen, damit Mellach am Netz bleibt.

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