„Wenn niemand zahlt, muss es weg
Energie. Der Verbund will das unrentable Kraftwerk Mellach verkaufen oder stilllegen. Die Verbund-Tochter APG fordert ein Vetorecht. Jetzt soll der Staat das Kraftwerk retten.
Wien. 17 Millionen Euro. Mehr ist vom 550 Millionen Euro teuren Gaskraftwerk, das der Verbund vor fünf Jahren in das steirische Mellach gestellt hat, in den Büchern des Konzerns nicht geblieben. Bei Strompreisen von etwa 31 Euro pro Megawattstunde ist Mellach kaum rentabel zu betreiben, das Kraftwerk läuft nur sporadisch und schreibt regelmäßig Verlust. Bis Jahresende will Verbund-Chef Wolfgang Anzengruber endlich eine Lösung auf dem Tisch haben. Die Optionen: Verkaufen, einmotten oder in einzelnen Teilen abverkaufen. Vor zwei Wochen ist die Angebotsfrist für Mellach abgelaufen. Interessenten gibt es genug, doch nun muss Anzengruber mit Gegenwind aus den eigenen Reihen kämpfen.
Ulrike Baumgartner-Gabitzer, Chefin der Verbund-Tochter Austrian Power Grid (APG), will im Fall eines Verkaufs oder gar einer Stilllegung des Kraftwerks nämlich noch ein gewichtiges Wörtchen mitreden. Mit der APG ist sie für die Stabilität des heimischen Stromnetzes verantwortlich, sorgt also dafür, dass der Strom am Fließen bleibt und Netzausfälle verhindert werden. Dafür ist sie jedoch auf Gaskraftwerke wie Mellach angewiesen, um schnell genug reagieren zu können, wenn die vielen neuen Wind- und Solaranlagen viel mehr oder weniger Strom liefern als erwartet. Baumgartner-Gabitzer will Veto einlegen dürfen, wenn Stromversorger solche Kraftwerke vom Netz nehmen wollen.
Ihr Konzernchef, Wolfgang Anzengruber, sieht das denkbar anders: „Es ist schwer vor- stellbar, dass die Tochter der Mutter sagt, was sie tun darf und was nicht“, betont er. Derartige Wünsche müssten von der Politik kommen – und entsprechend bezahlt werden. „Mellach hat eine strategische Bedeutung für den heimischen Strommarkt“, ist Anzengruber überzeugt. „Aber wenn niemand dafür bezahlt, muss es weg.“
In anderen Ländern Europas gibt es derartige Modelle schon länger. Spanien und Deutschland bezahlen die Betreiber von bestimmten Gaskraftwerken etwa dafür, dass sie ihre Anlagen am Netz lassen. Berlin hat den Netzbetreibern zudem die Möglichkeit eingeräumt, als Ultima Ratio auch eigene Kraftwerke zur Stabilisierung der Netze zu errichten. Das ist in Österreich derzeit gesetzlich nicht möglich und würde wohl auch die letzten Reste des freien Markts in der Energiebranche vernichten. Mögliche Zuschüsse für strategisch relevante Kraftwerke werden hingegen ernsthaft überlegt.
E-Control: „Das Kraftwerk ist nagelneu“
In den zuständigen Ministerien signalisiert man hinter den Kulissen Gesprächsbereitschaft, verweist allerdings darauf, dass für notwendige Gesetzesänderungen eine Zweidrittelmehrheit notwendig sei. Andreas Eigenbauer, Vorstand des Energieregulators E-Control, wird konkreter: „Bevor wir das entscheiden, müssen wir wissen, welche Kraftwerke wir in 15 Jahren überhaupt im Land haben wollen“, sagt er zur „Presse“. Nur noch Ökostromanlagen, wie es etwa die Grünen fordern? Oder doch auch ein paar Gaskraftwerke zur Stabilisierung der Netze? Erst wenn das geklärt sei, könne man überlegen, wie man den erwünschten Anlagen das Überleben ermöglicht. Ob Mellach in den Genuss staatlicher Zuschüsse kommen sollte, ist aus seiner Sicht eindeutig: „Das Kraftwerk ist nagelneu und hat noch 40 Jahre vor sich“, sagt Eigenbauer. „Ich kann mir nicht gut vorstellen, dass es verschwindet.“
Das Überangebot an gefördertem Ökostrom belastet nicht nur die Netze. Auch der teilstaatliche Verbund musste aufgrund der gesunkenen Strompreise im ersten Halbjahr 90 Millionen Euro an Wertberichtigungen vornehmen. Der operative Gewinn sank um 37,2 Prozent auf 190,8 Millionen Euro. Das Unternehmen reagiert mit weiteren Jobkürzungen und geringeren Investitionen. Im Jahr 2020 werden damit 800 Menschen weniger beim Verbund arbeiten als noch 2013.