Gefährliches Klavierspiel
Salzburg II. Die „Ouverture spirituelle“brachte eine faszinierende Uraufführung: Strawinsky, bearbeitet durch Schostakowitsch.
Spannend programmiert ist heuer die sogenannte „Ouverture spirituelle“der Salzburger Festspiele. Am Mittwoch erinnerte die Aufführung von Bibers „Missa Salisburgensis“im Dom an die spektakuläre Wiederentdeckung dieses Werks anlässlich der Festspiele in den Siebzigerjahren. Im Mozarteum bescherte am Abend davor das Klavierduo Maki Namekawa und Dennis Russell Davies dem Publikum sogar die Uraufführung eines Werks von Igor Strawinsky in der Bearbeitung durch Dmitri Schostakowitsch.
Letzterer musizierte seinerzeit mit seinen Studenten zeitgenössische Kompositionen wie Arthur Honeggers im Gefolge des Zweiten Weltkriegs komponierte Dritte, die pessimistische sogenannte „Symphonie liturgique“oder Strawinskys „Psalmensymphonie“in vierhändigen Klavierarrangements. Die Noten der Stücke waren in Stalins Reich nicht erhältlich.
Für die russischen Jungmeister jener Jahre war die Beschäftigung mit geistlicher Musik ebenso verpönt wie jene mit Stücken exilierter Russen. Was war bei dem verbotenen und durchaus nicht ungefährlichen Spiel zu vier Händen zu entdecken?
Die Reduktion der großen Partituren auf die schwarzen und weißen Taten schafft oft grellere Dissonanzen, als in der Auffächerung derselben Musik auf ein groß besetztes Orchester und Chor zu vernehmen sind. Die strukturelle Klarheit, die man mit dem quasi nackten Klaviersatz gewinnt, wird vielen von Schostakowitschs Studenten jedoch die Ohren für die Möglichkeiten geöffnet haben, die ihnen die – von den kommunistischen Vordenkern damals als formalistisch gebrandmarkte – Anverwandlung klassischer und barocker Modelle geboten hat.
Wie Schostakowitsch dergleichen Problemstellungen löste, demonstrierte das Duo Namekawa/Davies gleich eingangs mit dem Concertino op. 94, das meisterhaft zwischen ernster Adaption barocker französischer Ouvertürenform und klassischer Sonate balanciert, um in ein frech-fröhliches, geradezu operettenhaftes Seitenthema zu münden, das auch für einen gut gelaunten Kehraus sorgt. Erst danach ging es an ernsthaft-kontemplative Bach-Choräle in Bearbeitungen György Kurtags´ und die Schostakowitsch-Arrangements der beiden so unterschiedlichen, Symphonien genannten Werke, wobei Honeggers resignativer Katholizismus immerhin noch Platz für ein paar Takte zauberisch-entrückter Hoffnung auf Erlösung beschert – wie meinte Herbert von Karajan im Rahmen einer Fördererprobe nach Verklingen dieses E-Dur-Schlusses und der folgenden Stille so schön? „Jetzt sind wir wieder auf der Erde.“(sin)