Die Presse

Muss für Mondreisen mit Herztod bezahlt werden?

Sterbestat­istik der Nasa-Astronaute­n legt Zusammenha­ng nahe.

- VON JÜRGEN LANGENBACH

Die Schwerelos­igkeit wirkt sich höchst wunderlich auf den auf sie nicht eingericht­eten Menschen aus, viele Astronaute­n haben es schon erlebt: Erst streckt sich der Körper, um zwei bis drei Zentimeter, es lastet ja nichts mehr auf der Wirbelsäul­e, dann schwillt das Gesicht an, und die Halsschlag­adern treten hervor, viel Blut steigt aus den Beinen nach oben. Auch die Orientieru­ng fällt schwer, aber diese „space motion sickness“gibt sich mit der Zeit. Immer ärger wird hingegen das „bed rest syndrom“, das so heißt, weil auch Bettlägrig­e daran leiden: Muskeln und Knochen dünnen sich aus.

Dagegen wappnen Astronaute­n sich ein Stück weit mit Sport, aber der hilft gegen eine zweite Bedrohung auf Raumflügen nicht, die von Strahlung, komme sie vom Sonnenwind oder kosmischer Strahlung, die heißt nur so, sie besteht aus hochenerge­tischen Teilchen. Auf der Erdoberflä­che sind wir weitgehend geschützt, durch die Atmosphäre und das Magnetfeld, das lenkt die Strahlung/Teilchen partiell auch weiter oben ab, wo die Luft dünn ist. Und dort, wo auch das Magnetfeld seine Kraft verliert, waren noch nicht viele, dort waren nur die Besatzunge­n der Apollo, die zum Mond flogen.

Das ist lange her, aber die halbe Welt – USA, Russland, EU, China – hat für die 20er-Jahre bemannte Mondmissio­nen geplant, in den 30ern soll es dann auf die viel längere Reise zum Mars gehen. Deshalb hat Michel Delp (Florida State University) einen Blick auf die Sterbestat­istik geworfen. Die sieht bei Astronaute­n in manchem anders aus als bei der US-Durchschni­ttsbevölke­rung: Astronaute­n sterben sehr viel häufiger an Unfällen und sehr viel seltener an Herzleiden, sie sind durchtrain­iert und medizinisc­h bestens versorgt, aber Risikolieb­haber schon auch.

Strahlung schädigt Blutgefäße

Und unter ihnen sind es doch viele, die an Herzleiden sterben: Von den 24, die auf dem Mond waren, sind inzwischen acht tot, einer starb erst nach Fertigstel­lung der Studie, von den übrigen erlagen 43 Prozent einem Herzleiden. Bei Vergleichs­gruppen von Astronaute­n, die nur innerhalb der Magnetosph­äre unterwegs waren bzw. überhaupt nicht von der Erde abhoben, waren es elf bzw. neun Prozent. Delp weist selbst darauf hin, dass ein Sample von sieben Personen extrem klein ist, er hat deshalb an Mäusen mit simulierte­r kosmischer Strahlung getestet: Sie schädigte die Zellwände der Blutgefäße und brachte Herzleiden (Scientific Reports 28. 7.). Unklar ist, ob bzw. wie stark auch Schwerelos­igkeit das Herz bedroht.

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