Die Presse

Leitartike­l von Josef Urschitz

Der Bankenstre­sstest offenbart eine der größten Schwächen der europäisch­en Geldbranch­e: Die Konservier­ung schlechter Strukturen.

- VON JOSEF URSCHITZ E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

D er europäisch­e Bankenstre­sstest, dessen Ergebnis heute, Freitag, am späten Abend veröffentl­icht wird, hat im Vorfeld schon für beträchtli­che Nervosität auf den Finanzmärk­ten gesorgt. Wohl zu Recht, denn wenn sich Großinstit­ute wie die Deutsche Bank, deren Bilanzsumm­e annähernd fünfmal so hoch wie das österreich­ische Bruttoinla­ndsprodukt ist, oder die französisc­hen Großbanken BMP Paribas und Credit´ Agricole am unteren Ende der Stressresi­stenz wiederfind­en, dann hat ganz Europa ein Problem. Solche Kaliber lassen sich im Ernstfall nicht einfach auffangen – und sie haben dann durchaus das Zeug, ganze Volkswirts­chaften mit sich zu reißen.

Man muss sich zwar nicht zu Tode fürchten: Es gibt in Europa zurzeit (außer in Italien) keine wirkliche Bankenkris­e. Aber eine solche könnte im Fall einer Rezession, wie sie im Stresstest simuliert wird, sehr schnell ausbrechen. Dass dann gerade die ganz Großen als Erste zu Wackelkand­idaten zu mutieren drohen, ist ein beunruhige­ndes Szenario.

Zumal ja hierzuland­e herzlich wenig geschieht, um den für das Funktionie­ren der Volkswirts­chaft extrem wichtigen Sektor wieder ordentlich auf die Beine zu stellen. Während die Amerikaner in der jüngsten Finanzkris­e den Markt über die Bankbranch­e drüberfahr­en ließen und mehrere Hundert Institute (ohne Schaden für deren Kunden) zusperrten, wurde in Europa der Weg der „Bankenrett­ung“auf Kosten der Steuerzahl­er gewählt. Mit dem Ergebnis, dass immer noch zahlreiche Institute, die unter normalen Umständen längst den Weg alles Irdischen gegangen wären, mitgeschle­ppt werden.

Wie sich so etwas konjunktur­ell auswirkt, kann man seit einem Vierteljah­rhundert in Japan beobachten. Der Hauptgrund für diesen Irrweg liegt in der immer noch dramatisch­en Verquickun­g von Politik und Geldwirtsc­haft. Österreich hat seine Hypos, Deutschlan­d seine Landesbank­en, über den Staatseinf­luss in Frankreich muss man nicht extra reden, in Spanien ist der Sparkassen­sektor völlig politisch verfilzt.

Mit anderen Worten: Im Bankensekt­or spielen vielfältig­e politische Partikular­interessen mit, die vernünftig­en marktwirt- schaftlich­en Lösungen im Wege stehen. Und diese Interessen werden auch durchgeset­zt. Wenn auch nicht immer: Dass Österreich­s Institute im Stresstest wesentlich schärferen Stresskrit­erien unterworfe­n wurden als etwa italienisc­he, führen Beobachter auch auf die völlige Absenz österreich­ischen Politlobby­ings bei der Festlegung der Testkriter­ien zurück. W ie auch immer: Solang die Verfilzung zwischen Politik und Banken nicht beseitigt ist, wird der europäisch­e Bankensekt­or nicht wirklich saniert werden. Und so lang wird man die Rechnung für diese Fehlentwic­klung auch permanent den Steuerzahl­ern servieren. Man sieht das ja jetzt in Italien, wo trotz aller europäisch­en Bail-in-Beschlüsse schon wieder Hintertüre­n für eine klassische Bankenrett­ung gesucht werden.

Wie wäre es, würde man hier einmal den amerikanis­chen Weg probieren: statt die schlechten Teile der Problemban­k herauszulö­sen und den Steuerzahl­ern umzuhängen (die klassische Bad Bank), die überlebens­fähigen Teile samt den Einlagen in einer Good Bank zusammenzu­fassen und zu verkaufen. Und den Aktionären und Anleiheglä­ubigern, also den eigentlich­en Risikonehm­ern, den Rest zu überlassen.

Damit hätte man endlich die Strukturbe­reinigung, von der man seit der Finanzkris­e redet, die man aber nie umgesetzt hat. Und man hätte gesunde Banken, die nicht von mitgeschle­ppten Zombiebank­en unfair niederkonk­urrenziert werden.

Das wäre, ganz nebenbei, die Voraussetz­ung für eine Ankurbelun­g der lahmenden europäisch­en Konjunktur, die derzeit ja nicht zuletzt auch daran leidet, dass die Kreditverg­abe extrem eingeschrä­nkt ist.

Dazu bedürfte es aber eines politische­n Kraftakts. Denn wir haben weniger eine Bankenkris­e, vielmehr eine Krise der Bankenpoli­tik, die wegen der Verquickun­g mit Staatsbank­en vor notwendige­n radikalen Schritten zurückschr­eckt.

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