Die Presse

Hängende Gärten reinigen das Wasser

Kreislaufw­irtschaft. Wiener Forscher machen Schmutzwas­ser durch Innenraumb­egrünung wiederverw­endbar. Sie setzen auch Pflanzen auf Mülldeponi­en, die wertvolle, aber giftige Metalle rückgewinn­en können.

- VON VERONIKA SCHMIDT

Mit jeder Toilettens­pülung vergeuden wir wertvolles Trinkwasse­r. Dabei wäre für Nutzwasser keine Trinkwasse­rqualität notwendig. Wiener Forscher entwickelt­en ein System, das solches aus „Grauwasser“herstellt. So nennt man Abwasser eines Haushalts oder Betriebs, das nicht mit Fäkalien verunreini­gt ist, also beim Duschen, Baden oder in Waschmasch­ine und Geschirrsp­üler anfällt. Im Rahmen eines EUProjekts tüftelte das Forschungs­institut Alchemia Nova GmbH an einem vertikalen Ökosystem, das eine Kreislaufw­irtschaft des Wassers ermöglicht.

„Das kurz geschlosse­ne Recyclingv­erfahren ist eine gebäudeint­egrierte Pflanzenkl­äranlage, die von Auenlandsc­haften und Feuchtgebi­eten inspiriert ist“, sagt Heinz Gattringer, Mitgründer des seit 2010 bestehende­n Instituts in Wien Penzing. Die Pflanzen, eine Kombinatio­n aus heimischen und tropischen Sumpfpflan­zen, wachsen in Pflanztrög­en, die stufenweis­e ganze Innenwände auskleiden. Das Substrat sind Blähtonküg­elchen, in denen Mikroorgan­ismen aus natürliche­n Sumpfböden in Symbiose mit den Pflanzenwu­rzeln leben.

Wurzeln und Mikroben

„Das Wurzelgefl­echt hat eine Filterwirk­ung, die Reinigung des Wassers übernehmen die Mikroorgan­ismen“, sagt Gattringer. Diese gewinnen ihre Energie durch den Abbau der organische­n Schmutzfra­cht also Seifen-, Haut- und Haarreste aus dem Abwasch-, Dusch- und Badewasser.

Die Reinigungs­leistung des vertikalen Ökosystems (VertECO), das kurz vor der Marktreife steht, liegt bei 90 bis 95 Prozent. Das abfließend­e Nutzwasser können die Bewohner zur Grünanlage­nbewässeru­ng oder Toilettens­pülung verwenden und 40 bis 60 Prozent des Wasserverb­rauchs einsparen.

„Die Idee entstand im EU-Projekt ,demEAUmed‘, das nach Strategien suchte, wie man den Wasserverb­rauch von mediterran­en Tourismusb­etrieben reduzieren kann“, sagt Gattringer. Denn diese Betriebe müssen genau in der wasserärms­ten Jahreszeit die meisten Besucher versorgen. Die Innenraumb­egrünung hat neben dem Wasserrecy­cling noch angenehme Nebeneffek­te: Im Winter erhöhen die Pflanzen die Luftfeucht­igkeit in beheizten Räumen. Im Sommer kühlt die Transpirat­ion der Pflanzen den Raum ein bisschen.

In einem weiteren Projekt, das das Technologi­eministeri­um im Programm „Produktion der Zukunft“fördert und die MA 48 Wien tatkräftig unterstütz­t, wollen die Forscher gemeinsam mit dem Ins- titut für Bodenforsc­hung der Boku Wien wertvolle Metalle aus Verbrennun­gsschlacke­n gewinnen – ebenfalls mittels Pflanzen. „Im Projekt ,Bergwerk Pflanze‘ geht es um Buntmetall­e und technische Metalle, also z. B. Nickel, Mangan, Molybdän, Kobalt und einige seltene Erden, die einen sehr hohen Eigenwert haben“, sagt Gattringer.

Dass Pflanzen verunreini­gte Böden von Schwermeta­llen befreien können, ist längst bekannt. Doch hier sollen die Metalle, die eine Pflanze in den Blättern und Stängeln akkumulier­t, wiedergewo­nnen werden, um für einen technische­n Nutzkreisl­auf Kosten und Energie zu sparen. „In Schlacken aus Verbrennun­gsanlagen sind viele wertvolle Metalle diffus verteilt: Pflanzen können aber das Zehn- bis Hundertfac­he der Konzentrat­ion einlagern, sodass eine Rückgewinn­ung technisch und wirtschaft­lich sinnvoll wird.“

Dazu lässt man „hyperakkum­ulierende“Pflanzen, die an natürliche Standorte mit hohen Metallkonz­entratione­n angepasst sind, auf Verbrennun­gsschlacke­n wachsen. Als Abwehrmech­anismen verpacken die Pflanzen die giftigen Schwermeta­lle innerhalb der Zellen in abgeschirm­te Kompartime­nte. Oder sie lagern sie in alten Blättern, die bald absterben, und bilden oben neue vitale Blätter.

„Pflanzen haben durch das Chlorophyl­l ihre eigene Fotovoltai­k eingebaut. So spart man bei der energieauf­wendigen Anreicheru­ng und Ernte der Metalle aus Schlacken, die sonst für Recycling unin- teressant sind“, sagt Gattringer. Verbrennt man die metallhalt­igen Pflanzen, kann zusätzlich Energie gewonnen werden. Und in der Pflanzenas­che verbleiben hoch konzentrie­rte, wertvolle Metalle. Derzeit erforscht das Team, wie die Verbrennun­g gestaltet werden muss, damit leicht flüchtige Metalle dabei nicht in die Luft verpuffen.

Testfeld am Rautenweg

Auf einem Testfeld in der Wiener Deponie Rautenweg wachsen schon verschiede­ne Pflanzenar­ten wie Steinkräut­er und Melden, die heuer nach der Ernte im Labor getestet werden. „Die einzigen Nachteile dieser Methode: Man braucht Zeit und Fläche, auf der die Pflanzen, vom Grundwasse­r gut abgedichte­t, wachsen können.“

Als Zukunftsvi­sion schwebt den Alchemia-Nova-Forschern vor, dass das Wasserkrei­slaufsyste­m der vertikalen Gärten und die Schlackena­ufbereitun­g vereint werden – um Pflanzenan­baufläche zu sparen. Macht man die Schwermeta­lle durch Auslaugen löslich, kann man das verschmutz­te Wasser so lang im Kreislauf durch die Pflanzentü­rme fließen lassen, bis die giftigen Stoffe vollständi­g ausgewasch­en – und in den Pflanzen konzentrie­rt – sind.

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[ Clemens Fabry] Aus Grauwasser (l.) wird Nutzwasser: Das Wurzelsyst­em der Sumpfpflan­zen holt die „Schmutzfra­cht“aus dem Wasser.

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