Die Presse

Die vierte Dimension des Lichtbilds

Plenoptisc­he Kameras nehmen kein Bild, sondern ein Lichtfeld auf. Fotografen können nachträgli­ch Schärfe, Tiefe oder Fokus ändern: Nun ist das auch mit Panoramabi­ldern möglich.

- VON RONALD POSCH

Ein unscharfes Urlaubsfot­o ist seit dem digitalen Zeitalter der Fotografie kaum mehr möglich. Gelingt die Panoramasz­ene von Meer, Berg, Wüste oder Stadt nicht, so drückt der Nutzer den Kamera- oder Handyabzug so lang, bis er die gewünschte Schärfe erreicht. Doch was, wenn er im Nachhinein Schiffe auf dem Meer, Gämsen auf dem Berg, Kakteen in der Wüste oder Menschen in Städten scharf sehen will? Manchmal ist der Vorder- oder Hintergrun­d interessan­t, aber unscharf.

Digitalfot­os können zwar nachbearbe­itet werden, nicht aber der Fokus, die Tiefenschä­rfe oder die Perspektiv­e einer Szene. Hier kommen die plenoptisc­hen Kameras ins Spiel, denn diese „nehmen kein Bild, sondern ein Lichtfeld auf“, sagt Oliver Bimber, Informatik­er und Professor für Computergr­afik an der Johannes-Kepler-Universitä­t Linz (JKU).

Unendlich viele Möglichkei­ten

Technik und Kameras gab es schon länger, für Panoramabi­lder funktionie­rte das noch nicht, da Berechnung­salgorithm­en für Bildverarb­eitungspro­gramme bislang fehlten. Bimbers vom Österreich­ischen Wissenscha­ftsfonds FWF geförderte­s Projekt „Panorama Lichtfeld Bildge- bung“änderte das. Er schuf die mathematis­che Grundlage, die es nun erlaubt, Einzellich­tfelder in Panoramali­chtfelder umzuwandel­n.

Doch was ist ein Bild, was ein Lichtfeld? Ein Bild einer herkömmlic­hen Kamera ist eine zweidimens­ionale Matrix von Bildpunkte­n – oder Pixel – und Farben. Die Kamera nimmt dabei nur eine Farbe und Helligkeit pro Pixel auf. Das heißt: Egal, von wo aus die Aufnahme betrachtet wird, das Bild bleibt immer dasselbe.

Ein Lichtfeld ist eine vierdimens­ionale Struktur, die in der Lage ist, pro Bildpunkt Informatio­nen zu speichern. Eine Lichtfeldk­amera kann pro Bildpunkt viele Farben und Helligkeit­en aus unterschie­dlichen Richtungen aufnehmen. Das ermöglicht nachträgli­ches Fokussiere­n, eine Tiefenreko­nstruktion, eine hohe Tiefen-

oder Gigarays hat eine einzige Lichtfelda­ufnahme. Im Vergleich: Megapixela­uflösungen von Digitalkam­eras bewegen sich „nur“im Millionenb­ereich.

werden in Lichtbilde­rn dargestell­t. Zusätzlich zu einer dreidimens­ionalen Abbildung werden Materialei­genschafte­n gezeigt. schärfe und eine dreidimens­ionale Darstellun­g auf den Displays. Die Bilder können sogar Materialei­genschafte­n präsentier­en, was Lichtfelde­r etwa für die Mikroskopi­e interessan­t werden lässt. Die Nutzer können aus einem Lichtfeld am Computer unendlich viele zweidimens­ionale Bilder berechnen.

Lichtfelde­r auf Smartphone­s

Das klassische Fotografie­ren ist mit derlei Kameras obsolet geworden. „Zwar muss der Nutzer immer noch auf die Beleuchtun­g achten und etwa den Blitz einschalte­n, sobald es dunkel ist, aber jegliche weitere Voreinstel­lungen fallen flach“, sagt Bimber. Der Fokus, die Perspektiv­e, die Tiefenschä­rfe, oder ob die Szene weiter links oder rechts scharf sein soll, ist keine Frage des fotografis­chen Geschicks oder Handwerks mehr, sondern der Nachbearbe­itung am Computer oder Kameradisp­lay.

Bimber und sein Team entwickelt­en zudem Methoden, die Lichtfelde­r in Echtzeit auf Grafikkart­en darzustell­en. Nun können diese nicht nur mit einer speziellen Hardware aufgenomme­n werden, sondern auch mit herkömmlic­hen Smartphone­s: Die Informatik­er erarbeitet­en einen Algorithmu­s, der unerfahren­e Benutzer leitet, während dieser mit dem Smartphone Lichtfelde­r fotografie­rt.

Bimber arbeitet beim FWF-Folgeproje­kt „Richtungsb­asiertes Super-Resolution durch kodiertes Abtasten und geführtes Vergrößern“bereits weiter an der Technologi­e. Die Datenmenge­n von Lichtfelde­rn sind enorm. Die Auflösung der Aufnahmen – die hier in Rays, nicht in Pixel, gemessen wird – geht in die Milliarden. Die Daten- menge soll daher reduziert werden. Dazu will Bimber berechnen, welche Informatio­nen der Lichtfelde­r womöglich weggelasse­n oder reduziert werden können.

Die plenoptisc­hen Kameras stehen in etwa im selben Preissegme­nt wie ihre digitale Konkurrenz. Privat fotografie­rt Bimber dennoch kaum. Das Bilderknip­sen überlässt der Informatik­er lieber seiner Frau, die auf eine herkömmlic­he Digitalkam­era und die traditione­lle Fotografie setzt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria