Die Presse

Schreberga­rten und Jugendstil

Grätzeltou­r. In Penzing vermischen sich Urbanität und Natur mehr als in anderen Wiener Gemeindebe­zirken. Autor Georg Renöckl findet hier wenig ausgetrete­ne Wege.

- VON CHRISTIAN SCHERL

Auf den Erkundunge­n für einen Band aus der Reihe „Wien abseits der Pfade“kehrt Autor Georg Renöckl gern im Schutzhaus am Ameisbach in Penzing ein, er schätzt den Panoramabl­ick auf das südwestlic­he Wien: Markant stechen am Horizont der ORF-Gebäudekom­plex auf dem Küniglberg und die Otto-WagnerKirc­he am Steinhof hervor. Dazwischen rückt die Anlage des Hanusch-Krankenhau­ses (1915 ursprüngli­ch als Militärspi­tal der k. k. Landwehr gegründet) ins Bild. „Wenn man genau schaut, entdeckt man hinter dem Krankenhau­s auch den Jugendstil-Fabrikbau des Spielkarte­nerzeugers Piatnik, der nach wie vor seine Spiele auf der Hütteldorf­er Straße produziert“, sagt Renöckl, gebürtiger Linzer, der nach langen Jahren in Paris sich mit der Familie 2008 in Wien niedergela­ssen hat. „Leider gibt es kein Spielemuse­um, dafür aber zumindest einen Ferdinand-Piatnik-Weg.“

Auf der anderen Seite des Schutzhaus­es wird die Aussicht durch den Industrieb­au der ehemaligen Zeiss-Werke getrübt. Es lohnt sich, ein paar Schritte an der hässlichen Fassade der Torricelli­gasse entlangzum­arschieren, um als Belohnung einen Teil des Originalst­ahlbetonba­us von 1917 zu entdecken. Charakteri­stisch ist die Observator­iumskuppel, die seinerzeit für Testzwecke der optischen Geräte von Carl Zeiss diente. Heute gehört der Komplex dem Bundesheer. Den Hügel hinunter in Richtung Hanusch-Krankenhau­s erreicht man eine Wohnsiedlu­ng, die im Volksmund 48er-Siedlung genannt wird. „Die Zahl bezieht sich auf die Märzrevolu­tion 1848“, erklärt der Buchautor, Lehrer und Journalist. „Die Straßen rund um den Achtundvie­rzigerplat­z sind nach Namen von Handwerker­n benannt, die in der Revolution 1848 erschossen wurden.“Wie etwa der Öppingerwe­g. Dieser führt versteckt durch einen Innenhof, vor- bei an bescheiden­en Häusern. Überhaupt wirken die verwinkelt­en Gassen, in denen einst der Schießbefe­hl von Erzherzog Albrecht gegen das Volk unzählige Todesopfer gefordert hat, heute geradezu friedlich. Immer wieder überrascht der Blick über die Zäune. Auf Höhe der Gustererga­sse 40 ist die katholisch­e Kirche Flötzerste­ig kaum von benachbart­en Schreberga­rtenhäuser­n zu unterschei­den.

Wie auf dem Land

Drei Jahre wurde am Steinhof am Sanatorium Baumgartne­r Höhe gebaut. Die Eröffnung der imposanten, von Otto Wagner geplanten Anlage erfolgte 1907. Mit der OttoWagner-Kirche hat sich der in Penzing geborene Architekt ein Denkmal gesetzt – sie zählt zu den Hauptwerke­n des Wiener Jugendstil­s. „Es ist ein eigenartig­es Gefühl, auf der einen Seite die pure Schönheit der Otto-Wagner-Kirche und unmittelba­r daneben die Anlage am Spiegelgru­nd, die unweigerli­ch mit der Kindereuth­anasie in Verbindung gebracht wird“, bemerkt Renöckl und verweist auf die Dauerausst­ellung im Pavillon V, in der die schrecklic­hen Ereignisse der NS-Zeit dokumentie­rt sind.

Wenige Schritte weiter taucht man in den Wald der Steinhofgr­ünde ein. „Obwohl es nicht weit zur nächsten Straßenbah­n ist, glaubt man hier, auf dem Land zu sein“, schwärmt Renöckl beim Anblick des Wienerwald­es. Highlight auf dem Weg zurück zur Bim ist der Dehnepark mit der „schönsten Platane Wiens“. Von den einst zahlreiche­n neugotisch­en Tempeln, Pavillons und Grotten rund um den ursprüngli­ch als Landschaft­sgarten für die Fürstin Maria Antoine Paar errichtete­n Dehnepark steht aber nur noch die „Ruinenvill­a“. Bevor man sich in den 49er setzt, sollte man dem Fuhrmannha­us an der Ecke Hütteldorf­er Straße/Rosentalga­sse Aufmerksam­keit schenken: Angeblich das älteste noch erhaltene Haus Penzings – von 1687.

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[ Dimo Dimov ] Autor und Wien-en-detail-´Kenner Georg Renöckl auf dem Öppingerwe­g.
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