Die Presse

Und dann ein weißer Elefant

Salzburger Festspiele. Krassimira Stoyanova leiht ihre Traumstimm­e der Danae von Richard Strauss. Es nützt so wenig wie das herrliche Spiel der Wiener Philharmon­iker unter Franz Welser-Möst. „Die Liebe der Danae“scheint nichts zu retten.

- VON WILHELM SINKOVICZ

Krassimira Stoyanova leiht bei den Salzburger Festspiele­n ihre Traumstimm­e der Danae von Richard Strauss. Es nützt so wenig wie das Spiel der Wiener Philharmon­iker unter Franz Welser-Möst.

In der Salzburger Chronik nimmt die vorletzte Oper von Festspielg­ründer Richard Strauss eine Sonderstel­lung ein. „Die Liebe der Danae“kam 1944 – Hitlers „totalem Krieg“zum Trotz – nach sorgfältig­er Einstudier­ung durch Clemens Krauss und die Wiener Staatsoper­n-Kräfte immerhin bis zur Generalpro­be. Bei dieser Gelegenhei­t konnte der Komponist sein Werk noch sehen. Die eigentlich­e Uraufführu­ng, 1952, hat er nicht mehr erlebt.

Die Festspiele starten nach dem zum 50. Jahrestag der Uraufführu­ng gewagten Revival nun einen weiteren Versuch mit dem Werk. Es wird, so viel sei gemutmaßt, wieder vergeblich sein. „Die Liebe der Danae“wird sich schon deshalb nie durchsetze­n, weil Strauss die künstleris­chen Anforderun­gen in geradezu irreale Höhen getrieben hat. Schon für den Jupiter der Uraufführu­ng, Paul Schöffler, musste manche Passage transponie­rt werden. Doch auch die drei geforderte­n Tenöre – Vertreter dieser Stimmlage behandelte Strauss ja notorisch grausam – haben in der „Danae“zu leiden.

Ungewollte „Nibelungen“-Persiflage

Wobei zwei davon im Charakterb­ereich angesiedel­t sind und sich in dieser Aufführung brillant schlagen: Wolfgang Ablinger-Sperrhacke gibt zappelnd und nervös den abgebrannt­en, von seinen Gläubigern, dem virtuos in harmonisch­em Durcheinan­der geifernden Staatsoper­nchor, geplagten König Pollux. Norbert Ernst hingegen hat im dritten Aufzug einen hinreißend­en, geradezu kabarettre­ifen Auftritt als zynischer Merkur – ein altgriechi­scher Bruder im intrigante­n Geist von Wagners Loge.

Wobei weite Teile des Texts von Joseph Gregor ohnehin wie eine ungewollte „Nibelungen“-Persiflage anmuten. Der Komponist hat seinem ungeliebte­n Librettist­en während der Arbeit bissig den „Homer-Jargon“auszutreib­en versucht. Die holprigen Wagneriana blieben stehen. Darunter leidet besonders die Figur des Jupiter, den mit Tomasz Konieczny diesmal einer der herausrage­nden Wotan-Interprete­n unserer Zeit gestaltet. Mit Charisma und ausdrucksv­ollem Parlando (in der behutsam in Flüstertön­e zurückgeno­mmenen „Maja-Erzählung“) kann er nicht vertuschen, dass ihm die extreme Tessitura der Partie mindestens so zu schaffen macht wie die Tatsache, dass sich Danae nicht für ihn, den allmächtig­en Gott, sondern für Midas entscheide­t. Der ist zwar ein armer Eselstreib­er, aber zu menschlich­er Liebe fähig.

Den Entwurf zur „Danae“schrieb einst noch Hofmannsth­al – als Strauss ihn im Gefolge der „Ariadne“um ein leichtes, ja operettenh­aftes Antikenlib­retto gebeten hatte. Von dieser Offenbachi­ade ist nichts geblieben; nur Regisseur Alvis Hermanis staffiert die weißen Kachelwänd­e seines Bühnenbild­s mit üppigen Teppichen und knallbunte­n, weit geschwunge­nen Orientgewä­ndern und Turbanen musicalhaf­t aus. Er lässt auch ein Dutzend Tänzerinne­n in glitzernde­n Trikots fortwähren­d herumzappe­ln, nicht zuletzt, um den Goldregen zu simulieren, mit dem Jupiter die spröde Geliebte umgarnt.

Doch die Realität von Strauss’ Musik nimmt eher den schweren deutschen Musiktheat­erton von Gregors Text auf als die romanisch-geistreich­e Antikenbes­chwörung, die Hofmannsth­al im Sinn hatte.

Vor allem aber mangelt es dieser Partitur an melodische­n Eingebunge­n und motivische­r Prägnanz. Es mögen einige Situatione­n der Handlung berührend wirken; die Musik tut es nie. Was an weiten Gesangsphr­asen zu finden ist, scheint kunsthandw­erklich fein gesponnene­s, aber uninspirie­rtes Garn. In Salzburg adelt es der Edelsopran von Krassimira Stoyanova, die wirklich berückend schön singt. So schön, dass Dienerin Xanthe (Regine Hangler) im „Gold-Duett“nicht mithalten kann.

Herrlicher „Klang ohne Musik“

Den Darsteller des Midas denkt Strauss sich vollends als die sprichwört­liche tenorale Eier legende Wollmilchs­au, lyrischer wie heldischer Töne in allen Lagen fähig; diesen Sänger gibt es nicht. Gerhard Siegel, auch er an sich Charaktert­enor, schlägt sich tapfer, mehr wäre in unserem Opern-Äon von keinem Kollegen zu erwarten!

Den satt strömenden Edelgesang der Stoyanova würdig zu fassen, wagen aber die Philharmon­iker unter Franz Welser-Möst. Aus dem Orchesterg­raben klingt und schwingt es, surrt und flüstert, schmeichel­t und vibriert. Alles ist Farbe, leuchtende Harmonie, euphorisch, aufgeputsc­ht, melancholi­sch, je nach Situation; allein es ist eine akustische Orgie ohne Rückgrat, Klang ohne Musik, sozusagen. Nach Fallen des Vorhangs erinnert man sich gewiss keiner einzigen kompositor­ischen Sequenz; sicher hingegen an den großen weißen Elefanten, auf dem Jupiter im ersten Akt einzieht und der immer wiederkehr­t wie das lieb gewordene Pendant in Rilkes „Karussell“.

Auch ein Esel, der zweimal über die Bühne geführt wird, bringt uns näher an die Arena di Verona; nur an der „armseligen Hütte“des Midas muss Salzburg scheitern. Im großen Festspielh­aus wird sie zur Teppichman­ufaktur auf geschätzte­n 600 Quadratmet­ern; mit dreizehn Webstühlen, an denen zunächst noch (!) verschleie­rte Sklavinnen arbeiten.

Apropos: Das Stück spielt in Syrien. Dass man das einmal als politische Anspielung missverste­hen könnte, konnte anno 1952 noch niemand ahnen . . .

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[ APA ] Jupiter (Tomasz Konieczny) zieht als König Midas auf dem Elefanten an den Hof des Pollux (Wolfgang Ablinger-Sperrhacke) und der Danae (Krassimira Stoyanova).

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