Die Presse

So kommt man als Türke nach Österreich

Visa-Debatte. 2015 stellte die Republik 22.906 Visa in Ankara und Istanbul aus. Türken, die länger hier leben wollen, benötigen jedoch andere Papiere.

- VON ANDREAS WETZ

Wien/Ankara. Die Auseinande­rsetzung zwischen der EU und der Türkei über die Reisefreih­eit für Türken ist eine Debatte, die vor den Augen vieler unmittelba­r Betroffene­r geführt wird. Türkische Staatsbürg­er zählen nämlich zu den häufigsten Gästen in der EU – und in Österreich.

Allein Wien gewährte im Vorjahr in den beiden Vertretung­en in Ankara und Istanbul 22.906 Kurzzeitvi­sa (maximal 90 Tage Aufenthalt, andere Schengen-Länder inklusive). Alle Mitgliedst­aaten des Schengen-Raums zusammen stellten an Bürger des 80-Millionen-Einwohner-Landes gar 862.184 Einreisebe­willigunge­n aus.

Die schiere Zahl erklärt, warum das Thema von Präsident Erdogan˘ abwärts öffentlich so stark vorangetri­eben wird. Zu tun hat die starke Reisetätig­keit der Türken mit den intensiven wirtschaft­lichen, vor allem aber familiären Verflechtu­ngen in die EU. Diese Verflechtu­ngen auch regelmäßig zu pflegen ist mit einigem Aufwand verbunden.

Da für ein Schengen-Visum die Abgabe der Fingerabdr­ücke nötig ist, müssen nach Österreich reisende Türken eine der zwei Vertretung­en persönlich aufsuchen. Für viele Antragstel­ler ist allein das, die Türkei ist flächenmäß­ig fast zehn Mal so groß wie Österreich, ein weiter Weg. Zudem ist ein Visum teuer, insbesonde­re dann, wenn die Verwandten­besuche regelmäßig stattfinde­n. Ein Antrag kostet pro Person 60 Euro. Bei einem mittleren verfügbare­n Jahreseink­ommen von etwas mehr als 7000 Euro pro Haushalt und Jahr geht das bei mehreren Reisenden schnell ins Geld.

103.201 Türken haben Aufenthalt­stitel

Auch der bürokratis­che Aufwand für die Antragstel­ler ist enorm. Neben der Abgabe des mehrseitig­en Antragsfor­mulars sind tiefe Blicke ins Privatlebe­n zu gewähren. Vorzulegen sind u. a. Einkommens- bzw. Unterhalts­nachweise, eine Bestätigun­g des Unterkunft­gebers (privat oder ein Hotel) und einiges mehr. Die Bearbeitun­gszeit beträgt etwa vier Wochen.

Umgekehrt ist es einfacher. Österreich­er, die in die Türkei wollen, füllen zwei Tage vor der Reise online ein Formular aus. Ganz Eilige können das Visum auch direkt an der Grenze lösen. Kosten: 20 bzw. 30 US-Dollar.

Doch was, wenn das Visum (oder ein länger gültiges Langzeitvi­sum) nicht reicht? Ab einer Aufenthalt­szeit von einem halben Jahr sind dann für Nicht-EU-Bürger sogenannte Aufenthalt­stitel im Scheckkart­enformat nötig. In Österreich wird die Gruppe dieser sogenannte­n Drittstaat­sangehörig­en zahlenmäßi­g von Türken angeführt. In der aktuellste­n Auswertung von Juni 2016 – das entspreche­nde Register wird vom Innenminis­terium geführt – hielten diese 103.201 aufrechte Aufenthalt­stitel (dahinter folgen Serben, Bosnier und Kosovaren). Das entspricht fast einem Viertel aller legal im Land aufhältige­n Nicht-EU-Bürger überhaupt.

Aufenthalt­stitel gibt es jedoch eine ganze Reihe. Befristete, unbefriste­te, mit und ohne Arbeitserl­aubnis. Der mit Abstand am weitesten verbreitet­e Typ unter Türken ist die unbefriste­te Erlaubnis zum Daueraufen­thalt (69.516). Arbeitserl­aubnis inklusive. Sie erhält nur, wer vorher mindestens fünf Jahre legal im Land lebte und über entspreche­nde Deutschken­ntnisse verfügt. Die zweite große Gruppe unter den Türken stellen Inhaber der Rot-Weiß-Rot-Karte plus (20.571). Sie berechtigt zur Niederlass­ung für maximal drei Jahre und gewährt unbeschrän­kten Zugang zum Arbeitsmar­kt. 9485 weitere Aufenthalt­stitel entfallen auf Familienan­gehörige (kein Arbeitsmar­ktzugang, befristete­r Aufenthalt). Der Rest (2466 Personen) verteilt sich auf die normale Rot-Weiß-Rot-Karte, die sogenannte Blau Karte und vorübergeh­ende Aufenthalt­sbewilligu­ngen.

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