Drogenverkauf in der Straßenbahn
Suchtmittel. Mit dem neuen Drogengesetz suchen sich Wiens Dealer neue Plätze zum Handeln. Besonders die Straßenbahnlinie 6 entwickelt sich zum fahrenden Geschäft für illegale Substanzen.
Wien. Der Handschlag ist jovial. Zwei junge Männer, die gerade in die Straßenbahn einsteigen, begrüßen ihre Freunde, die schon Sitze für sie reserviert haben. Es folgt ein wenig Small Talk, es geht um das Wohlbefinden, um Frauengeschichten. Und dann kommt man zum Geschäftlichen. Wobei dem Begriff Geschäft das Wort illegal vorangestellt werden muss.
Es ist ein Bild, das seit einigen Wochen häufiger zu sehen ist – in der Straßenbahnlinie 6 von Simmering Richtung Burggasse sind bevorzugt die hinteren Waggons der alten Garnituren zum fahrenden Geschäft für Drogen aller Art geworden. Vor allem von der Station Simmering bis zur Arbeitergasse in Margareten sind besonders viele Dealer unterwegs, die sogar tagsüber – und ohne es groß zu verstecken – ihre Waren anbieten.
Kostprobe in der Straßenbahn
Einer der jungen Männer öffnet seine Gürteltasche und zeigt in etlichen kleinen Plastikbeuteln, was er anzubieten hat. Die Ware wird kurz beschnuppert oder der Finger eingetunkt zum Verkosten. Keiner der Beteiligten gibt sich allzu große Mühe zu verstecken, was er da treibt. Wer zu auffällig hinüberschaut, wird mit bösen Blicken ge- rügt. Nachdem sich die Kundschaft entschieden hat, was sie heute kaufen möchte, wechseln nach kurzem Feilschen mehrere zusammengerollte Scheine sowie Drogen die Besitzer. Bei der Station Gellertplatz steigen drei der vier wieder aus – und einer fährt weiter. Auch zwei weitere junge Männer, die ähnliche Geschäfte ganz hinten abgewickelt haben, verlassen die Straßenbahn.
Schon zwei Stationen später, am Reumannplatz in Favoriten, geht der Handel von vorn los. Diesmal sind es drei Männer, die sich ganz hinten zusammenstellen, wortkarg und schnell ihre Geschäfte machen – und schon zwei Stationen später wieder aussteigen.
Für den einen verbliebenen Dealer kommt noch ein Mal Kundschaft, mit der er bei der Station Arbeitergasse aussteigt – eine Station vor der U-Bahn-Station Margaretengürtel. Sie galt lange Zeit als einer der Wiener Drogen-Hotspots – die Szene hatte sich hierher verlagert, nachdem die Polizei mit massiven Kontrollen rund um die U6-Station Gumpendorfer Straße angefangen hatte. Nach wie vor ist die Polizeipräsenz am Margaretengürtel stark, darum meiden Dealer die Gegend nun eher.
Seit dem 1. Juni gilt in Wien ein neues, schärferes Drogengesetz, das den Handel auf der Straße, der massiv zugenommen hatte, eindämmen sollte. Bisher wurden Hunderte Dealer angezeigt, verhaftet und in U-Haft genommen. Österreichs Gefängnisse füllen sich derzeit mit Straßendealern. Dennoch kann nicht davon ausgegangen werden, dass Drogen oder Dealer deswegen aus der Stadt verschwinden werden. Denn die Fäden haben Hintermänner in der Hand. Wenn also ein Schwall Dealer verhaftet wird, wird er schnell durch andere ersetzt – das bestätigt auch die Polizei.
Was sich aber zusehends ändert, sind die Marketingstrategien der Drogenverkäufer. Eine davon ist offensichtlich, wieder vermehrt in öffentlichen Verkehrsmitteln zu handeln. Das passierte bisher vor allem in den Linien U6 und U4. Die
Die Wiener Drogenszene entlang der U6 und am Praterstern soll derzeit zerschlagen werden. Hunderte Kleindealer wurden angezeigt und verhaftet. Nun sucht die Szene nach neuen Plätzen und Marketingstrategien. So gi\t es gerade am Gürtel den Versuch der Verkäufer, den Handel in die Lokale zu verlagern. Andererseits weichen die Dealer nun von der U6 offen\ar auf die Straßen\ahnlinie 6 aus. Beim „Presse2Lokalaugenschein konnte ein reger Handel \eo\achtet werden. Wiener Linien setzen dort nun extra Securitys ein, die Polizei kontrolliert scharf.
Die Dealer mussten also auf andere Verkehrsmittel ausweichen: Bevorzugt ist das derzeit, eben neben der Straßenbahnlinie 6, die Linie 18 – besonders auf dem Teilstück entlang der U6. „Drogenhandel gibt es auf der Linie 6 seit Jahren immer wieder, derzeit offenbar wieder verstärkt“, sagt Polizeisprecher Roman Hahslinger zur „Presse“.
Die Wiener Linien zeigen sich ob der „Presse“-Anfrage dagegen einigermaßen erstaunt. Man hätte noch keine Meldung von Fahrern zu derartigen Vorkommnissen bekommen – allerdings würden diese oft auch nicht wahrnehmen können, was sich im hinteren Waggon abspielt.
Handel in Gürtellokalen
Neben den öffentlichen Verkehrsmitteln verlagert sich der Handel beispielsweise am Gürtel wieder in die Lokale („Die Presse“berichtete). Vor allem Lokalbetreiber, die keine Türsteher beschäftigen, haben immer wieder mit dieser Problematik zu kämpfen. Teilweise werden die Drogen nun auch in den Lokalen gebunkert. Erst vor zwei Wochen fand ein Polizeihund eine größere Menge Marihuana unter einem Barhocker.