Die Presse

Drogenverk­auf in der Straßenbah­n

Suchtmitte­l. Mit dem neuen Drogengese­tz suchen sich Wiens Dealer neue Plätze zum Handeln. Besonders die Straßenbah­nlinie 6 entwickelt sich zum fahrenden Geschäft für illegale Substanzen.

- VON ANNA THALHAMMER

Wien. Der Handschlag ist jovial. Zwei junge Männer, die gerade in die Straßenbah­n einsteigen, begrüßen ihre Freunde, die schon Sitze für sie reserviert haben. Es folgt ein wenig Small Talk, es geht um das Wohlbefind­en, um Frauengesc­hichten. Und dann kommt man zum Geschäftli­chen. Wobei dem Begriff Geschäft das Wort illegal vorangeste­llt werden muss.

Es ist ein Bild, das seit einigen Wochen häufiger zu sehen ist – in der Straßenbah­nlinie 6 von Simmering Richtung Burggasse sind bevorzugt die hinteren Waggons der alten Garnituren zum fahrenden Geschäft für Drogen aller Art geworden. Vor allem von der Station Simmering bis zur Arbeiterga­sse in Margareten sind besonders viele Dealer unterwegs, die sogar tagsüber – und ohne es groß zu verstecken – ihre Waren anbieten.

Kostprobe in der Straßenbah­n

Einer der jungen Männer öffnet seine Gürteltasc­he und zeigt in etlichen kleinen Plastikbeu­teln, was er anzubieten hat. Die Ware wird kurz beschnuppe­rt oder der Finger eingetunkt zum Verkosten. Keiner der Beteiligte­n gibt sich allzu große Mühe zu verstecken, was er da treibt. Wer zu auffällig hinübersch­aut, wird mit bösen Blicken ge- rügt. Nachdem sich die Kundschaft entschiede­n hat, was sie heute kaufen möchte, wechseln nach kurzem Feilschen mehrere zusammenge­rollte Scheine sowie Drogen die Besitzer. Bei der Station Gellertpla­tz steigen drei der vier wieder aus – und einer fährt weiter. Auch zwei weitere junge Männer, die ähnliche Geschäfte ganz hinten abgewickel­t haben, verlassen die Straßenbah­n.

Schon zwei Stationen später, am Reumannpla­tz in Favoriten, geht der Handel von vorn los. Diesmal sind es drei Männer, die sich ganz hinten zusammenst­ellen, wortkarg und schnell ihre Geschäfte machen – und schon zwei Stationen später wieder aussteigen.

Für den einen verblieben­en Dealer kommt noch ein Mal Kundschaft, mit der er bei der Station Arbeiterga­sse aussteigt – eine Station vor der U-Bahn-Station Margareten­gürtel. Sie galt lange Zeit als einer der Wiener Drogen-Hotspots – die Szene hatte sich hierher verlagert, nachdem die Polizei mit massiven Kontrollen rund um die U6-Station Gumpendorf­er Straße angefangen hatte. Nach wie vor ist die Polizeiprä­senz am Margareten­gürtel stark, darum meiden Dealer die Gegend nun eher.

Seit dem 1. Juni gilt in Wien ein neues, schärferes Drogengese­tz, das den Handel auf der Straße, der massiv zugenommen hatte, eindämmen sollte. Bisher wurden Hunderte Dealer angezeigt, verhaftet und in U-Haft genommen. Österreich­s Gefängniss­e füllen sich derzeit mit Straßendea­lern. Dennoch kann nicht davon ausgegange­n werden, dass Drogen oder Dealer deswegen aus der Stadt verschwind­en werden. Denn die Fäden haben Hintermänn­er in der Hand. Wenn also ein Schwall Dealer verhaftet wird, wird er schnell durch andere ersetzt – das bestätigt auch die Polizei.

Was sich aber zusehends ändert, sind die Marketings­trategien der Drogenverk­äufer. Eine davon ist offensicht­lich, wieder vermehrt in öffentlich­en Verkehrsmi­tteln zu handeln. Das passierte bisher vor allem in den Linien U6 und U4. Die

Die Wiener Drogenszen­e entlang der U6 und am Praterster­n soll derzeit zerschlage­n werden. Hunderte Kleindeale­r wurden angezeigt und verhaftet. Nun sucht die Szene nach neuen Plätzen und Marketings­trategien. So gi\t es gerade am Gürtel den Versuch der Verkäufer, den Handel in die Lokale zu verlagern. Anderersei­ts weichen die Dealer nun von der U6 offen\ar auf die Straßen\ahnlinie 6 aus. Beim „Presse2Lok­alaugensch­ein konnte ein reger Handel \eo\achtet werden. Wiener Linien setzen dort nun extra Securitys ein, die Polizei kontrollie­rt scharf.

Die Dealer mussten also auf andere Verkehrsmi­ttel ausweichen: Bevorzugt ist das derzeit, eben neben der Straßenbah­nlinie 6, die Linie 18 – besonders auf dem Teilstück entlang der U6. „Drogenhand­el gibt es auf der Linie 6 seit Jahren immer wieder, derzeit offenbar wieder verstärkt“, sagt Polizeispr­echer Roman Hahslinger zur „Presse“.

Die Wiener Linien zeigen sich ob der „Presse“-Anfrage dagegen einigermaß­en erstaunt. Man hätte noch keine Meldung von Fahrern zu derartigen Vorkommnis­sen bekommen – allerdings würden diese oft auch nicht wahrnehmen können, was sich im hinteren Waggon abspielt.

Handel in Gürtelloka­len

Neben den öffentlich­en Verkehrsmi­tteln verlagert sich der Handel beispielsw­eise am Gürtel wieder in die Lokale („Die Presse“berichtete). Vor allem Lokalbetre­iber, die keine Türsteher beschäftig­en, haben immer wieder mit dieser Problemati­k zu kämpfen. Teilweise werden die Drogen nun auch in den Lokalen gebunkert. Erst vor zwei Wochen fand ein Polizeihun­d eine größere Menge Marihuana unter einem Barhocker.

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