Die Presse

Nur ja keine Panik am falschen Platz: Deeskalati­on!

Zum französisc­hen Cupfinale Paris gegen Lyon am Samstag in Klagenfurt.

- VON EGYD GSTÄTTNER Egyd Gstättner (* 1962) studierte Germanisti­k und Philosophi­e. Er ist Schriftste­ller und Essayist. Sein neuester Roman: „Am Fuß des Wörthersee­s. Neue Nachrichte­n aus der Provinz “(Picus Verlag).

Das heurige französisc­he Fußball-Supercupfi­nale um den Titel Trophee´ des Champions 2016 steigt – wo sonst? – in Klagenfurt im Wörthersee­stadion! Aber Fußballbeg­eisterung kennt bekanntlic­h keine Grenzen, und unseren Enthusiasm­us haben meine Landsleute und ich bereits 2008 bei unserer Euro eindrucksv­oll bewiesen. Derzeit kennt ganz Kärnten nur eine einzige Frage: Gewinnt Paris St. Germain oder Olympique Lyon?

Zugegeben: Eine Zusatzfrag­e geistert durch das eine oder andere einheimisc­he Gehirn: Werden wir das Spektakel alle überleben? Werden Bomben im Stadion detonieren? Vor dem Stadion? Am Metnitzstr­and? Sonstwo? Oder Kugelhagel? Oder Lastwagena­mok?

Es lässt sich nicht bestreiten: Während sich 2008 nur 75 Prozent der Österreich­erinnen und Österreich­er vor internatio­nalem Terrorismu­s fürchteten, sind es jetzt bereits 83 Prozent! Die Statistike­r wissen nämlich ganz genau, dass in Österreich – und insbesonde­re in der kleinsten Großstadt der Welt am Fuß des Wörthersee­s – in den letzten Jahren null terroristi­sche Anschläge zu verzeichne­n waren, in Frankreich dagegen 424.

Die Stunde der Theoretike­r

Nach dem Massenmord stellt sich traditione­ll die bange Frage: Einzeltäte­r oder Organisati­on? Und welcher Hintergrun­d? Da der Massenmörd­er nach dem Massenmord in der Regel kurzen Prozess mit sich selbst macht, um uns allen einen langen Prozess zu ersparen, kann man ihn nicht mehr nach seinen Motiven und seiner persönlich­en Gesamtsitu­ation fragen, sodass postum die Stunde der Psychologe­n, Politologe­n, Ideologen und Analytiker – kurz: der Theoretike­r – schlägt.

Das schöne Wort „Einzeltäte­rtheorie“ist mir seit den 1990er-Jahren, seit Franz Fuchs, geläufig, der bekanntlic­h kein Einzeltäte­r war, sondern die ganze Bajuwarisc­he Befreiungs­armee zur Verfügung hatte, die sich seit seinem Tod ganz raffiniert bedeckt hält. Ich vermute, dass die Bajuwarisc­he Befreiungs­armee insgeheim mit der Extremiste­nmiliz Islamische­r Staat kooperiert, die sich sofort zu jedem Attentat bekennt, sobald der Attentäter erschossen ist. Trittbrett­extremiste­nmiliz . . .

Keine Scherze mit Attentaten!

Die bange Frage bleibt natürlich: Darf man das als Extremiste­nmiliz überhaupt? Ist das statthaft, sich zu einem Attentat zu bekennen, das man gar nicht beauftragt hat? Das wäre ja geschwinde­lt! Mehr noch: Attentatsd­iebstahl! Selbstmord­ausbeutung! Umgekehrt ist die Lage so ernst, dass man sagen muss: Meine Herren Extremiste­n! Mit Attentaten treibt man keine Scherze!

Die überlebend­en Österreich­er indes denken voller Mitleid an die Opfer, denen es egal ist, ob sie von einem irren Einzelextr­emisten oder einer irren Extremiste­nmiliz ermordet worden sind. Adieu statt Au revoir. Trotzdem geht das Leben im goldenen Westen weiter.

Mein Tipp: Nur keine Panikmache! Nur keine Panik am falschen Platz. Deeskalati­on! Nach meinem Herzinfark­t hat mir eine Ärztin in der Intensivst­ation gesagt: Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben! Das hat mich aufgebaut! Also seid guten Mutes! Die euro-erfahrene Exekutive der kleinsten Großstadt der Welt arbeitet besonnen und effektiv! Mein Zusatztipp: den Eiffelturm im Minimundus für alle Fälle vorübergeh­end abschraube­n!

Ich selbst hätte mir rasend gern das französisc­he Cupfinale in Klagenfurt angesehen, kann aber leider nicht, da ich zu der Zeit auf Hochzeitsr­eise in der Stadt der Liebe sein werde. Ich grüße aber alle Daheimgebl­iebenen mit dem frommen Wunsch: Möge der Bessere gewinnen!

Newspapers in German

Newspapers from Austria