Die Presse

Kein Sondervotu­m für Höchstrich­ter

Verfassung­sgerichtsh­of. Die ÖVP stellt sich gegen den SPÖ-Plan nach Einführung der „dissenting opinion“. Der VfGH müsse glaubwürdi­g bleiben.

-

Österreich. Ein Vorschlag von SPÖJustizs­precher Hannes Jarolim für die sogenannte „dissenting opinion“am Verfassung­sgerichtsh­of dürfte nicht realisiert werden, weil sich die ÖVP dagegenste­llt. Jarolim möchte, dass Richter, deren Rechtsansi­cht in einem Fall nicht mit der Mehrheitsm­einung am VfGH übereinsti­mmt, dies mit einer öffentlich­en Begründung kundtun können.

Wien. Der Vorschlag von SPÖ-Justizspre­cher Hannes Jarolim für die sogenannte „dissenting opinion“am Verfassung­sgerichtsh­of (VfGH) dürfte nicht realisiert werden. So steht insbesonde­re Koalitions­partner ÖVP der Idee skeptisch gegenüber. Jarolim möchte, dass Richter, deren Rechtsansi­cht in einem Fall nicht mit der Mehrheitsm­einung am VfGH übereinsti­mmt, dies mit einer öffentlich­en Begründung kundtun können. Auch das Abstimmung­sergebnis könnte dadurch öffentlich werden.

ÖVP-Verfassung­ssprecher Wolfgang Gerstl ist zwar für die Diskussion offen. Er fürchtet aber, dass die Akzeptanz des VfGHErkenn­tnisses darunter leiden könnte, wenn die in der Abstimmung unterlegen­en Richter ihre Meinung öffentlich kundtun. „Und ich glaube, dass Glaubwürdi­gkeit wichtiger ist als eine zweite Meinung“, sagt Gerstl im Gespräch mit der „Presse“. ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka wird noch deutlicher: Er könne dem Vorschlag Jarolims „wenig bis gar nichts“abgewinnen, sagte er. Beim VfGH sei das Vertrauen in das Kollegium entscheide­nd.

Jarolim hat die von ihm kritisch beäugte Aufhebung der Hofburg-Wahl zum Anlass genommen, der langjährig­en SPÖ-Forderung nach Einführung der „dissenting opi- nion“Nachdruck zu verleihen. Gerade in diesem Fall wäre es wichtig zu wissen gewesen, ob sich einige Richter gegen die Aufhebung stellten, meinte Jarolim.

Die „dissenting opinion“ist vor allem im angloameri­kanischen Rechtsraum verbreitet, aber auch am deutschen Bundesverf­assungsger­icht können Richter ihr Minderheit­svotum festhalten. Der österreich­ische VfGH wollte die aktuelle Debatte am Montag nicht kommentier­en. VfGH-Präsident Gerhart Holzinger gilt aber als Gegner der „dissenting opinion“.

FPÖ dagegen, Grüne und Neos dafür

Waren einst Justizmini­ster Dieter Böhmdorfer oder Jörg Haider für die „dissenting opinion“, ist die FPÖ nun auch klar dagegen. „Ich halte nichts davon“, erklärte FPÖ-Verfassung­ssprecher Harald Stefan. Denn die Anonymität sei ein Schutz für die einzelnen Richter, auf die sonst Druck – auch über soziale Medien – ausgeübt werden könnte.

Der grüne Verfassung­ssprecher, Albert Steinhause­r, ist aus Transparen­zgründen für die „dissenting opinion“, auch Neos-Kollege Nikolaus Scherak kann sich dafür erwärmen. Das Team Stronach ist laut dem ORF-Radio gegen diese Idee, weil Richter instrument­alisiert werden könnten. (aich/APA)

Newspapers in German

Newspapers from Austria