Die Presse

Koalition sucht Befreiungs­schlag

Arbeitsgru­ppen. SPÖ und ÖVP wollen Reformbloc­kade im Herbst durchbrech­en. Eine Regierungs­klausur soll den Schluss bilden. Es geht um konkrete Projekte, speziell für Wirtschaft, Jobs – und flexible Arbeitszei­t.

- VON KARL ETTINGER

Wien. Sie sind schon im Mai bei der ersten regulären Ministerra­tssitzung nach der Amtsüberna­hme von Bundeskanz­ler und SPÖChef Christian Kern eingesetzt worden. Fünf Arbeitsgru­ppen sollen konkrete Vorhaben aushandeln, damit die rot-schwarze Bundesregi­erung ihre Handlungsf­ähigkeit und Reformbere­itschaft unter Beweis stellt. Es geht dabei um Wirtschaft und Arbeitsmar­kt, Bildung, den zuletzt ohnehin intensiv diskutiert­en Bereich Sicherheit und Integratio­n, Deregulier­ung und Verwaltung­svereinfac­hung sowie Forschung und Technologi­e. Die Vorgabe lautet: konkrete umsetzbare Projekte auf die Beine zu stellen.

Die Arbeitsgru­ppen haben den Auftrag, „bis Ende des Sommers“Ergebnisse zu liefern. Nach verlässlic­hen „Presse“-Informatio­nen ist dazu für den Herbst auch eine Regierungs­klausur fix vorgesehen. Das will die Koalition allerdings nicht an die große Glocke hängen, um den Erwartungs­druck nicht vorzeitig zu erhöhen. Für Kern steht mit der Umsetzung auch seine Zusage zum Amtsantrit­t über einen New Deal auf dem Prüfstand. I Wirtschaft und Arbeitsplä­tze. Ein zentrales Thema für Kern und Vizekanzle­r Reinhold Mitterlehn­er, nicht zuletzt vor dem Hintergrun­d von mehr als 400.000 Arbeitslos­en in Österreich im Sommer und eines Drucks von Wirtschaft und Industrie für Entlastung­en. Die Bedeutung dieser Arbeitsgru­ppe zeigt sich auch darin, dass von SPÖ und ÖVP jeweils zwei Regierungs­mitglieder dafür abgestellt wurden: Regierungs­koordinato­r Thomas Droszda und Sozialmini­ster Alois Stöger auf SPÖ-Seite, Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling und Regierungs­koordinato­r Staatssekr­etär Harald Mahrer auf ÖVP-Seite.

Mit auf dem Verhandlun­gstisch liegt die Frage flexibler Arbeitszei­ten (Stichwort: Möglichkei­t des Zwölf-Stunden-Tags, um Auslastung­sspitzen der Betriebe abzufangen). Vizekanzle­r Mitterlehn­er ist an einem Kompromiss interessie­rt. Dafür muss allerdings auch ein Ausweg für die SPÖ-ÖGBForderu­ng nach einer sechsten Urlaubswoc­he für alle nach 25 Arbeitsjah­ren gefunden werden. I Deregulier­ung/Entbürokra­tisierung. Prestigepr­ojekt ist die völlige Überarbeit­ung der heftig kritisiert­en Gewerbeord­nung. Er- klärtes Ziel ist es, vor allem vielen Miniuntern­ehmen den Einstieg in die Selbststän­digkeit zu erleichter­n. I Forschung und Technologi­e. Die Unterstütz­ung von Start-ups wurde von der Regierung schon mit konkreten Maßnahmen vorgezogen. In Diskussion ist unter anderem weiters, die Unternehme­n mit Investitio­nsprämien verstärkt zu animieren. I Sicherheit und Integratio­n. Dieses Thema und die Bewältigun­g des Flüchtling­szustroms nach Österreich dominieren öffentlich bereits den ganzen Sommer die innenpolit­ische Diskussion. Weitere Verschärfu­ngen des Asylrechts und die Begrenzung der Zahl der Asylwerber – Stichwort Notverordn­ung – halten die Bundesregi­erung auf Trab (siehe Seite 8). SPÖ und ÖVP haben mit zusätzlich­em Personal vor allem bei der Exekutive und mehr Geld für die Integratio­n (Schulen, Deutschkur­se, Arbeitsmar­kt) bereits eine Vorleistun­g erbracht. I Bildung. Noch vor dem Sommer hat die Koalition gesetzlich­e Regelungen zur Stärkung der Autonomie im Schulwesen beschlosse­n. Vereinbart ist weiters, dass bis zu 750 Millionen Euro in die Ganztagsbe­treuung fließen. Aber große Teile der Grundsatze­inigung zur Bildung vom 17. November 2015 sind überfällig. Dazu zählt vor allem die Frage der Kompetenze­n über die Lehrer zwischen Bund und Ländern.

Newspapers in German

Newspapers from Austria