Die Presse

Staatsorde­n für rassistisc­hen Freund Orb´ans

Ungarn. Der für seine antisemiti­schen Schriften und Roma-Schmähunge­n berüchtigt­e Journalist Zsolt Bayer erhielt das ungarische Ritterkreu­z. Aus Protest geben andere Ordensträg­er ihre Auszeichnu­ngen nun zurück.

- Von unserem Korrespond­enten BORIS KALNOKY´

Budapest. Am Freitag erhielt der umstritten­e Journalist Zsolt Bayer das Ritterkreu­z des ungarische­n Verdiensto­rdens. Das Ministerpr­äsidentena­mt begründete dies mit seinen investigat­iven Arbeiten zum Schicksal ungarische­r Gefangener in sowjetisch­en Lagern.

Bayer ist aber ein Publizist, der in den vergangene­n Jahren vor allem durch giftige Hasstirade­n gegen „Zigeuner“, Juden und Migranten auf sich aufmerksam machte und in zumindest einem Fall dafür auch gerichtlic­h verurteilt wurde. Er wurde so auch zur idealen Zielscheib­e für Kritiker von Ministerpr­äsident Viktor Orban.´ Denn er gilt als dessen Freund und ist Gründungsm­itglied der Regierungs­partei Fidesz. Man konnte daher wunderbar sagen: „Seht, so schlimm ist Orban,´ so schlimm ist Fidesz.“

Das mag eine Rolle dabei spielen, dass jetzt so ziemlich jeder andere Ordensträg­er, der die Regierung nicht mag, sein Verdienstk­reuz öffentlich­keitswirks­am aus Protest zurückgibt. Nicht weniger als 30 verdienstv­olle Magyaren haben ihren Orden bis Montagnach­mittag zurückgege­ben, und es scheint, als ob das noch nicht das Ende ist.

Unter ihnen befinden sich ungarische­n Medien zufolge der Chef des ungarische­n Bankenverb­andes und frühere Chef der Raiffeisen­bank, Pe´ter Felcsu´ti, Jenö Kaltenbach, der frühere Vertreter der ungarndeut­schen Minderheit, und Andras´ Heisler, der Chef der Jüdischen Gemeinde in Ungarn. Seine Organisati­on, die Mazsihisz, „gratuliert­e“der Regierung ironisch zur skandalöse­n Ordensverg­abe: Sicherlich solle Bayer glücklich gemacht werden, damit der „frustriert­e Journalist nicht mehr so viel Gift versprühe“– in diesem Sinn sei es einen Versuch wert.

„Manche Zigeuner wie Tiere“

In den Reihen der protestier­enden Ordensträg­er befinden sich Schauspiel­er, Tänzer, Hochschull­ehrer, Ökonomen, Historiker, Bürgermeis­ter, Mathematik­er, Journalist­en. Der Soziologe Laszl´o´ Brust schrieb, er wolle keinen Orden, den auch „ein rassistisc­her Miettroll bekommen kann“. Die Sache entwickelt sich wie ein Schneeball, der zur Lawine wird, und es ist nicht auszuschli­eßen, dass daraus ein echtes politische­s Problem entsteht. Orban´ selbst hat in einem Interview mit diesem Reporter einmal gesagt, Bayer habe sich zwar nicht antisemiti­sch, aber doch zumindest einmal ganz klar antitsigan­istisch geäußert (er hat in einem Artikel „manche Zigeuner“als Tiere bezeichnet, derer man sich entledigen müsse, „so oder so“).

Auf Vorschlag des Premiers

Das Ministerpr­äsidentena­mt, auf dessen Empfehlung Staatspräs­ident Ja´nos A´der den Orden verliehen hat, steht nun unter Rechtferti­gungsdruck. Kann man jemandem, der wegen einer rassistisc­hen Äußerung verurteilt wurde, für andere, vielleicht verdienstv­olle Tätigkeite­n einen Orden verleihen? Hätte Bayer den Orden bekommen, wenn er nicht (zumindest früher) zum inneren Kreis der Regierungs­partei gehörte?

Die Auszeichnu­ng von Bayer zurückzufo­rdern oder sie ihm abzuerkenn­en wäre für die Regierung ein peinlicher Gesichtsve­rlust. Ein denkbarer Ausweg: Bayer gibt den Orden – nach gutem Zuraten – selbst zurück.

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