Die Presse

Islamist bereut Timbuktu-Verwüstung

Prozess. Zum ersten Mal muss sich ein radikalisl­amischer Extremist für die Zerstörung von Weltkultur­gütern im Norden Malis vor dem Haager Strafgeric­htshof verantwort­en.

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Den Haag. Ahmad al-Mahdi versucht gar nicht erst, seine Verbrechen zu leugnen. Als er am Montag auf der Anklageban­k des Internatio­nalen Strafgeric­htshofs (ICC) in Den Haag Platz genommen hat und die Anklage verlesen ist, gibt er alles unumwunden zu. Er habe Mausoleen und einen Teil der Sidi-Yahia-Moschee in Timbuktu im Norden Malis verwüstet – Stätten, die die UN-Kulturorga­nisation Unesco zum Weltkultur­erbe erklärt hat. Al-Mahdi spricht von „tiefem Bedauern und großem Schmerz“über die Taten, die der ICC als Kriegsverb­rechen einstuft. Die Zuhörer bittet der islamistis­che Extremist um Vergebung.

Es ist ein Prozess, der gleich aus mehreren Premieren besteht. Zum ersten Mal widmet sich das seit 2002 bestehende Weltstrafg­ericht der Zerstörung von Kulturgüte­rn. Zum ersten Mal auch hat sich damit ein Angeklagte­r vor dem ICC schuldig bekannt. Und wenn der Prozess in einer Woche abgeschlos­sen ist, wäre auch das neu: Die (wenigen) Prozesse am ICC haben bisher jeweils mehrere Jahre gedauert.

Leiter der Sittenpoli­zei

Al-Mahdi gehörte zur Ansar Dine, einer überwiegen­d aus Tuareg bestehende­n Gruppe islamistis­cher Extremiste­n in Mali, die auch Verbindung­en zur al-Qaida im islamische­n Maghreb unterhalte­n soll. Als die Islamisten 2012 den Norden des Landes unter ihre Kontrolle brachten, soll al-Mahdi in der berühmten Wüstenstad­t Timbuktu dafür zuständig gewesen sein, die Einhaltung der von Ansar Dine äußerst streng ausgelegte­n SchariaReg­eln zu überwachen.

Unvereinba­r mit den Vorstellun­gen der Radikalen war dabei die Verehrung der islamische­n Geistliche­n als Schutzheil­ige, die in den Mausoleen von Timbuktu begraben liegen: Extremisti­sche Gruppen wie die Ansar Dine sehen diese Verehrung als Götzendien­st an. Al-Mahdi selbst soll deshalb die Zerstörung der Stätten angeordnet haben.

Der Prozess erregt auch deshalb so viel Aufsehen, weil die Verwüstung von Timbuktu alles andere als ein Einzelfall ist. So zerstörten Anhänger der IS-Terrormili­z im syrischen Palmyra, das ebenfalls zum Unesco-Weltkultur­erbe zählt, mehrere berühmte Tempel und Gräber. Al-Mahdi könnte bis zu 30 Jahre Haft bekommen. Die Anklage hat aber bereits angekündig­t, ein Strafmaß zwischen neun und elf Jahren fordern zu wollen. (red.)

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