Ärztekammer fordert Stopp der E-Medikation
Pilotprojekt. Die Ärztekammer kritisiert Zeitverzögerungen bei der Datenverarbeitung und mangelnde Funktionalität des Pilotprojekts in der Steiermark. Eine Ausweitung ab Oktober kann man sich nicht vorstellen.
Wien. „Der Probebetrieb läuft seit Ende Mai. Mittlerweile zeichnet sich ab, dass das Projekt unausgereift und nicht praxistauglich ist. In dieser Form ist ein österreichweites Rollout im Oktober keine Option“, sagte Johannes Steinhart, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) und Obmann der Bundeskurie niedergelassene Ärzte, gestern, Montag, via Aussendung. Steinhart bezieht sich dabei auf das Pilotprojekt der E-Medikation, das derzeit im steirischen Deutschlandsberg bis Ende September läuft. Danach soll die E-Medikation in der Steiermark und in weiterer Folge bis 2017 in ganz Österreich eingeführt werden.
Mit der E-Medikation wird die Elektronische Gesundheitsakte (Elga) um eine weitere Stufe ausgeweitet. Von Ärzten verordnete und in Apotheken abgegebene Medikamente werden damit als sogenannte E-Medikationsliste für ein Jahr elektronisch gespeichert. Damit sollen Mehrfachverordnungen und auch Wechselwirkungen von Medikamenten vermieden werden.
Nur zwölf Ärzte bei Pilotprojekt
Die Ärztekammer unterstütze zwar prinzipiell die Idee der E-Medikation, bei der Umsetzung habe man aber nach einem Erfahrungsaustausch mit den teilnehmenden Ärzten schwere Mängel ausgemacht. So würde vor allem die Datenverarbeitung sehr viel Zeit in Anspruch nehmen. Auch die Anbindung an die technische Infrastruktur funktioniere nicht überall einwandfrei. „Die Kolleginnen und Kollegen sollen mit der E-Medikation rasch und auf einen Blick sehen können, welche Medikamente ihre Patienten nehmen und wo es Wechselwirkungen gibt. Wenn die Datenverarbeitung eine Minute oder länger dauert, dann ist das keine Zeitersparnis, weder für Patienten noch Ärzte“, meint Steinhart.
Derzeit nehmen zwölf Ärzte an dem Pilotprojekt im weststeiri- schen Deutschlandsberg teil. Ursprünglich war geplant, dass rund die Hälfte der 57 Vertragsärzte, acht Apotheken, ein Landeskrankenhaus und eine Langzeitpflegeeinrichtung bei dem Probebetrieb mitmachen. Von den 30 niedergelassenen Ärzten sind aber schlussendlich nur zwölf übrig geblieben, die tatsächlich mitmachen.
Die Ärztekammer kritisiert, dass die Anzahl der teilnehmenden Ärzte – gemessen an der Gesamtzahl von 8000 Kassenärzten und 10.000 Wahlärzten – „geradezu fahrlässig klein“sei. Auch die Kosten für die E-Medikation stoßen auf Kritik. So müsse man mehrere Tausend Euro investieren, um das Tool effizient zu verwenden.
Kammer: Zurück an den Start
Steinhart fordert deshalb, das Projekt „zurück an den Start“zu schicken. Das System sei von der technischen Seite her noch zu unausgereift, um österreichweit angewendet zu werden. Ähnliche Kritik kommt auch vom Wiener Ärztekammerpräsidenten, Thomas Szekeres. Auch er spricht von unangenehmen Zeitverzögerungen. Außerdem schaffen die meisten Softwarehersteller die Einbindung der E-Medikation in die Ordinationssoftware nicht. „Wenn es schon bei so wenigen Teilnehmern zu Zeitverzögerungen kommt, was passiert dann, wenn 8000 Kassenordinationen und eine Vielzahl an Wahlarztordinationen gleichzeitig damit arbeiten?“, so Szekeres. Die Kommunikation zwischen den Softwarefirmen und der Betreibergesellschaft SVC funktioniere trotz anfänglicher Nachbesserungen nach wie vor nicht. Szekeres kann sich vorstellen, dass nach einer Überarbeitung ein Neustart der E-Medikation nach etwa einem Jahr möglich ist.
Er fordert eine umfassende Evaluierung, volle Kostenabgeltung für die Ärzte und eine Einbettung in den Gesamtvertrag mit der Sozialversicherung.