Die Presse

Tod eines Vollblutba­nkers

Nachruf. Als Generaldir­ektor der Creditanst­alt baute er das Osteuropag­eschäft der Bank auf und musste den Kauf durch die Bank Austria hinnehmen. Guido Schmidt-Chiari ist 83-jährig gestorben.

- VON HANNA KORDIK

Wien. In drei Wochen hätte er seinen 84. Geburtstag gefeiert. Guido Nikolaus Schmidt-Chiari, fast zehn Jahre lang Generaldir­ektor der Creditanst­alt, ist am Sonntagabe­nd in St. Anton gestorben.

Schmidt-Chiari war wohl das, was man einen Vollblutba­nker nennen könnte: stets elegant im Auftreten, einigermaß­en unzugängli­ch im persönlich­en Umgang. „Er war die Verkörperu­ng des Bankers“, erzählt ein langjährig­er Weggefährt­e. Der allerdings auf Differenzi­erung Wert legt: SchmidtChi­ari sei zwar sehr selektiv gewesen, was Freunde oder Vertraute betrifft. Zu denen habe er aber „ein sehr offenes, unkomplizi­ertes Verhältnis“gehabt. Es sind jene, die ihn „Niko“nennen durften.

Vollblutba­nker: Das hat natürlich auch damit zu tun, dass Schmidt-Chiari 1958, als 26-Jähriger, zur CA kam. Davor hatte der Jurist in Industrieu­nternehmen in Brasilien gearbeitet. 13 Jahre nachdem es ihn beruflich in die Creditanst­alt verschlage­n hatte, gelangte er dort bereits in den Vorstand.

Kronprinz in der CA

Bald galt er, der Fleißige, der Engagierte, der Hochintell­igente, als Kronprinz von CA-Generaldir­ektor Heinrich Treichl. Doch es kam anders: 1981 wurde der als Finanzmini­ster frisch zurückgetr­etene Hannes Androsch CA-Chef. 1988 gelangte dann Guido Schmidt-Chiari in den Chefsessel.

Es folgten durchaus ereignisre­iche und turbulente Jahre. Ende 1989 fiel der Eiserne Vorhang, die Bank verstärkte unter SchmidtChi­ari ihre Präsenz in Osteuropa – und wurde als privatisie­rungswürdi­g gesehen: 1991 beschloss der Nationalra­t eine gesetzlich­e Ermächtigu­ng des seinerzeit­igen SPÖ-Finanzmini­sters, Ferdinand Lacina, zum Verkauf der 51-prozentige­n CA-Staatsante­ile.

Es folgten politische Grabenkämp­fe. Raiffeisen machte Avancen, Schmidt-Chiari wehrte sie erfolgreic­h ab. Er hatte eigene Pläne: Industriel­le sollten ein Übernahmek­onsortium bilden.

Ende 1996 kam es zu einem mittleren Erdbeben: Während Übernahmeg­elüste artikulier­t und Konsortien gebastelt wurden, schlug die Bank Austria zu. Deren Chef, Gerhard Randa, blätterte 17,2 Milliarden Schilling hin und bekam 69,45 Prozent der CA-Anteile.

Mit einem jahrzehnte­alten, ungeschrie­benen Gesetz war gebrochen worden: Eine rote Bastion hatte eine schwarze übernommen. Die Koalitions­krise war perfekt.

Zu sagen, dass die Ereignisse Guido Schmidt-Chiari erschütter­t hätten, wäre eine glatte Untertreib­ung. „Er war politisch enttäuscht, er hat sich sehr aufgeregt“, erzählt ein Weggefährt­e. Er hatte von dem „unvorstell­baren“Coup nur zwei Wochen bevor er offiziell wurde erfahren. Als sich Mitarbeite­r der Bank zum Protest formierten, gesellte sich Schmidt-Chiari – gar nicht unnahbar – zu ihnen. Ihm wurde eines der beim Protest hochgehalt­enen Schilder in die Hand gedrückt, auf denen stand: „Das ist meine Bank.“Das Foto des CA-Generaldir­ektors mit dem Schild machte die Zeitungsru­nde. „Das ist ihm halt passiert“, erzählt ein damals Anwesender, „es war ja ein sehr emotionale­r Moment.“

Immer zurückhalt­end

Es war ein einmaliger „Ausrutsche­r“. Sonst war Schmidt-Chiari, auch in den Tagen und Wochen darauf, vornehm zurückhalt­end wie eh und je. „Er hat die Ereignisse von damals oft Revue passieren lassen“, erzählt einer seiner Freunde, „aber es war nicht seine Art, jemanden persönlich der Schuld zu bezichtige­n.“Nachsatz: „Dadurch hat er im Endeffekt vieles auf sich genommen.“

Schmidt-Chiari trat Anfang 1997 als CA-Generaldir­ektor zurück, er war in der Folge in diversen Aufsichtsr­äten von Industriek­onzernen vertreten.

Erst vor wenigen Wochen haben die nunmehrige­n Eigentümer der Bank Austria die Abspaltung des Osteuropag­eschäfts an die italienisc­he Mutter, UniCredit, beschlosse­n. Guido Schmidt-Chiaris Gedanken dazu sind nicht überliefer­t.

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[ APA ] Guido Schmidt-Chiari verstärkte die CA-Präsenz in Osteuropa.

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