Die Presse

Zuerst die Arbeit, dann der Affogato

- VON MICHAEL LACZYNSKI E-Mails an: michael.laczynski@diepresse.com

Ich halte mich für einen einigermaß­en pflichtbew­ussten Menschen. Was nicht heißt, dass mir die Erfüllung diverser Verpflicht­ungen einen großen Spaß bereitet. Gerade jetzt beispielsw­eise würde ich am liebsten diese Kolumne verwaist zurücklass­en, mich aufs Rad schwingen und ins Cafe´ auf einen Affogato al caff`e fahren. Falls Sie nicht wissen, was das ist: Keine Sorge, ich wusste es bis vor Kurzem auch nicht. Dabei handelt es sich um ein Dessert. In einem heißen Espresso schwimmt eine Kugel Vanilleeis, that’s it. Ebendiesen Affogato habe ich mir vorletzte Woche bei einem alten Haudegen des heimischen Parlamenta­rismus abgeschaut, mit dem ich einen Plausch über Gott, die Welt und den Zustand der österreich­ischen Sozialdemo­kratie hatte. Seither konsumiere ich ihn bei jeder sich bietenden Gelegenhei­t mit Begeisteru­ng, obwohl ich Speiseeis eigentlich nicht mag. Womit der Beweis erbracht wäre, dass man aus der Beschäftig­ung mit Innenpolit­ik auch als Laie einen persönlich­en Nutzen ziehen kann.

Doch zurück zum eingangs erwähnten Pflichtbew­usstsein. Dass ich mir gerade jetzt Gedanken darüber mache, kommt daher, dass ich eigentlich im Urlaub bin. Oder besser gesagt „Urlaub“, denn in Wirklichke­it bin ich momentan daheim an einer privaten Nebenbaust­elle tätig und kann von Sonne, Meer und Dolcefarni­ente nur träumen. Außerdem war ich vor meinem Urlaubsbeg­inn zu faul, um diese (und die nächste) Kolumne vorzuschre­iben. Ich bin sicher nicht der Einzige, dem es so geht, aber manchmal kommt mir das Leben wie ein riesiger Sandberg vor, den ich mit einem Dessertlöf­fel abtragen muss. Es gibt drei Möglichkei­ten, mit diesem Gemütszust­and umzugehen: weitermach­en wie bisher, abhauen (was für mich, siehe oben, nicht infrage kommt) oder auf später verschiebe­n. Letztere Variante wurde von den Austropop-Göttern S.T.S. in ihrem Gassenhaue­r „Irgendwann bleib i dann dort“besungen. In diesem Sinne: Zuerst die Arbeit, dann der Affogato. Und dann sehen wir weiter.

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