Zuerst die Arbeit, dann der Affogato
Ich halte mich für einen einigermaßen pflichtbewussten Menschen. Was nicht heißt, dass mir die Erfüllung diverser Verpflichtungen einen großen Spaß bereitet. Gerade jetzt beispielsweise würde ich am liebsten diese Kolumne verwaist zurücklassen, mich aufs Rad schwingen und ins Cafe´ auf einen Affogato al caff`e fahren. Falls Sie nicht wissen, was das ist: Keine Sorge, ich wusste es bis vor Kurzem auch nicht. Dabei handelt es sich um ein Dessert. In einem heißen Espresso schwimmt eine Kugel Vanilleeis, that’s it. Ebendiesen Affogato habe ich mir vorletzte Woche bei einem alten Haudegen des heimischen Parlamentarismus abgeschaut, mit dem ich einen Plausch über Gott, die Welt und den Zustand der österreichischen Sozialdemokratie hatte. Seither konsumiere ich ihn bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit Begeisterung, obwohl ich Speiseeis eigentlich nicht mag. Womit der Beweis erbracht wäre, dass man aus der Beschäftigung mit Innenpolitik auch als Laie einen persönlichen Nutzen ziehen kann.
Doch zurück zum eingangs erwähnten Pflichtbewusstsein. Dass ich mir gerade jetzt Gedanken darüber mache, kommt daher, dass ich eigentlich im Urlaub bin. Oder besser gesagt „Urlaub“, denn in Wirklichkeit bin ich momentan daheim an einer privaten Nebenbaustelle tätig und kann von Sonne, Meer und Dolcefarniente nur träumen. Außerdem war ich vor meinem Urlaubsbeginn zu faul, um diese (und die nächste) Kolumne vorzuschreiben. Ich bin sicher nicht der Einzige, dem es so geht, aber manchmal kommt mir das Leben wie ein riesiger Sandberg vor, den ich mit einem Dessertlöffel abtragen muss. Es gibt drei Möglichkeiten, mit diesem Gemütszustand umzugehen: weitermachen wie bisher, abhauen (was für mich, siehe oben, nicht infrage kommt) oder auf später verschieben. Letztere Variante wurde von den Austropop-Göttern S.T.S. in ihrem Gassenhauer „Irgendwann bleib i dann dort“besungen. In diesem Sinne: Zuerst die Arbeit, dann der Affogato. Und dann sehen wir weiter.