Immer noch Handke und Bernhard
Literaturarchiv Salzburg. „Dichter bei den Festspielen“bietet auf bescheidenem Raum einen gelungenen Einblick in die Salzburger Uraufführungen zweier Stars der Literatur.
Über einen verwinkelten Weg in der Salzburger Innenstadt erreicht man unter der Adresse Kapitelgasse 5–7 einen kleinen Saal, in dem man hautnah Thomas Bernhard und Peter Handke begegnen kann. Der einstige Skandalautor aus Salzburg reagiert auf sein Gegenüber wie gewohnt mit Übertreibungskunst: Bernhard redet über sich, über das Höchste in der Kunst, über sich, naturgemäß auch über die Verkommenheit Österreichs – und über sich. Dabei blinzelt er häufig. Das verrät vielleicht im Ansatz, dass er sein Gegenüber auf den Arm nimmt, wenn Fragen allzu ernst werden. Bei Handke ist es ein wenig anders. Den Ernst bringt er zu diesen Gesprächen schon selbst mit. Der aus Kärnten stammende, internationale Schriftsteller, der von 1979 bis 1987 am Mönchsberg wohnte, wirkt fast schüchtern, sein wacher Blick verrät aber, dass er genau weiß, was er Gesprächspartnern mitgeben will. Auch er hat alles unter Kontrolle. So unterhaltsam wie Bernhard ist er nicht.
Diese legendären Interviews stehen im Zentrum einer kleinen, aber höchst informativen Schau in der Max-Gandolph-Bibliothek. Manfred Mittermayer und Martin Huber vom Literaturarchiv Salzburg haben „Dichter bei den Festspielen: Thomas Bernhard – Peter Handke“kuratiert. Sie sind ausgewiesene Experten. Erst im Vorjahr wurde Mittermayers ausführliche Bernhard-Biografie veröffentlicht, er und Huber sind zudem maßgeblich an der Herausgabe der Werkausgabe beteiligt. Bernhard dürfte auf sie abgefärbt haben, die multimediale, von Peter Karlhuber künstlerisch gestaltete Ausstellung hat Witz.
Ein Misthaufen, 800 geimpfte Fliegen
So wird der Mistskandal von 1985 thematisiert, den Claus Peymann durch launige Bemerkungen vor der Uraufführung von „Der Theatermacher“ausgelöst hat: Ein Misthaufen und 800 Fliegen, selbstverständlich geimpft, würden zum Bühnenbild gehören, behauptete der Regisseur. Sein Zynismus wurde nicht von allen erkannt, der Landessanitätsdirektor war besorgt. Diese Farce wird ironisiert, indem beim betreffenden Schaukasten Plastikfliegen platziert sind – eine schmückt eine Erwiderung Bernhards auf einen Angriff von Bundeskanzler Franz Vranitzky, mehrere scharen sich um einen Lautsprecher – garantiert nicht geimpft. Prominent prangt im Saal auch ein Hirschgeweih, das einst das Wirtshaus des „Theatermachers“zierte.
Viel größer als der Skandal von 1985 war der von 1972, auch da war Peymann aktiv. Er wollte bei „Der Ignorant und der Wahnsinnig“, Bernhards erstem Stück in Salzburg, am Ende völlige Finsternis haben. Bei der Premiere blieben die Notlichter an. Die Regie verweigerte weitere Aufführungen. Bernhard telegrafierte eifrig, kompromisslos zustimmend: Seinem Förderer, Festspielpräsident Josef Kaut, schrieb er: „Eine Gesellschaft, die zwei Minuten Finsternis nicht verträgt, kommt ohne mein Schauspiel aus. Stop.“
Fünf Uraufführungen hatte Bernhard in Salzburg, Handke drei. Auf je zwei wird näher eingegangen – auf die bereits erwähnten sowie auf „Über die Dörfer“(1982) und „Immer noch Sturm“(2011). Den TV-Interviews mit den beiden Dichtern und ihren Botschaften kann man via Kopfhörer lauschen. Viel Handschriftliches wird gezeigt und eine Serie vergrößerter Polaroidaufnahmen Handkes. Man sieht eine Fülle von Material auf engem Raum, einleuchtend geordnet. Kostüme, Manuskripte, Briefe, Bühnenbilder und Modelle geben einen plastischen Eindruck von diesen Theaterereignissen. Auf den Mini-Bühnen laufen via Screens Szenen ab.
Fazit: Bei Bernhard dominiert der Skandal, bei Handke die Dichtung und ihre Entstehung. Der eine blinzelt, als ob er Ignoranten begegnete, der andere schaut gelassen ins Offene, als erwarte er bereits den nächsten Sturm. Beide bewegen immer noch.