Der Wagnerheld als Schuberts Müllerbursche
Klaus Florian Vogt gestaltete mit Helmut Deutsch eine berührende Liedermatinee in Grafenegg.
Lauscht man dem Liedersänger Klaus Florian Vogt, will man nicht glauben, dass derselbe Künstler allenthalben mit größtem Erfolg Wagnerhelden verkörpert. Fragil und zart klingt der Tenor, dem nach alter Belcantistenmanier schon in der oberen Mittellage viel Kopfstimme beigemischt wird, was der Farbgebung ungewöhnliche Helligkeit verleiht. Die Beweglichkeit der Linienführung und damit die punktgenaue Präzision der Intonation wirken in seltenen Momenten ein wenig gebremst, doch wo Franz Schubert dem Interpreten seiner „Schönen Müllerin“Zeit gibt, findet Vogt auch zu fein verästelter Verzierungskunst.
Im Wesentlichen aber deklamiert er Wilhelm Müllers Gedichte in seltener Eindringlichkeit, braucht wenig dezente gestische Unterstützung, um das Podium im Grafenegger Auditorium zur imaginären Bühne werden zu lassen. Es sind ja nur wenige quasi dramatische Augenblicke in diesem Zyklus, die Bildhaftigkeit suggerieren. Der Rest ist konzentriertes musikalisches Seelenprotokoll.
Und das bringt Vogt im Verein mit dem grandiosen Lied-Pianisten Helmut Deutsch in seismographischer Detailgenauigkeit zum Klingen. Vom Überschwang eines „Dein ist mein Herz“bis zur ahnungsvollen Melancholie der „Tränenflut“sind es, scheint’s, immer nur die subtilen Modulationen harmonischer und melodischer Natur – mit einigen von beiden Künstlern atemberaubend ausgespielten und „ausgesungenen“Dur-MollRückungen –, die zu oft diametralen Aussagen und jäh aufeinanderprallenden Kontrasten führen.
Wurde nach den ersten Liedern in den hinteren Sitzreihen noch getuschelt, warum denn bei dieser Matinee nicht applaudiert würde, löste sich auch diese letzte kulturtechnische Ratlosigkeit bald in fühlbare Hochspannung auf. Man hörte einem Geschichtenerzähler von verführerischer Kunstfertigkeit zu – und war zuletzt froh, dass auch angesichts des so unbarmherzig geschilderten Suizids des armen Müllerburschen keine drastischeren Gestaltungsmittel herhalten mussten, um Schuberts dezent murmelnden Bach ein wenig in Richtung der modischen Psychowelle aufzuwühlen. Ein Wiegenlied ist ein Wiegenlied – und provoziert, wie zu studieren war, heftige Begeisterung beim Publikum.