Wird es ein harter oder ein weicher Brexit?
Gastkommentar. In der aktuellen Debatte wird ersichtlich, wie Politiker in Reden und Slogans Mehrdeutigkeit strategisch einsetzen.
Brexit heißt Brexit.“Darauf pocht Theresa May, die neue Premierministerin Großbritanniens. Dieser ebenso simple wie eindringliche Slogan sendet eine unmissverständliche Botschaft an all diejenigen aus, die auf eine Neubewertung des Ergebnisses der Volksabstimmung vom Juni hoffen. Großbritannien, so viel scheint klar, wird die Europäische Union verlassen. Aber an diesem Punkt ist es mit der Klarheit auch schon wieder vorbei.
Als Charles de Gaulle am 4. Juni 1958 auf dem Balkon des Gouverneurspalastes in Algier stand, verkündete er einer Menschenmenge aus französisch-algerischen Siedlern: „Je vous ai compris!“(„Ich habe euch verstanden!“). In den darauffolgenden Jahren verhandelte er die algerische Unabhängigkeit und brachte genau diese Siedler gegen sich auf. „Verstanden“, so stellte sich heraus, hieß nicht „Verständnis aufbringen“.
Mays Lieblingsspruch könnte ähnlich irreführend sein – eine Möglichkeit, die den Brexit-Befürwortern am rechten Rand ihrer konservativen Partei nicht verborgen geblieben ist. Gehört zu dem Brexit, von dem May spricht, auch der harte Abschied von der EU, den viele Austrittsbefürworter anstreben oder wird sie einen sanfteren Ansatz verfolgen?
Wie eine Amputation
Ein harter Brexit würde bedeuten, alle bestehenden Verbindungen zwischen Großbritannien und der EU zu kappen: also keine Beiträge mehr in das gemeinsame Budget und das Aus für die freie Mobilität der Arbeitskräfte. Dieser Position liegt die Annahme zugrunde, dass sich Europa in wirtschaftlichem und kulturellem Niedergang befindet und Großbritannien daher nicht allzu viel zu bieten hat. Das Land würde beispielsweise von tieferen Beziehungen mit den Schwellenökonomien Asiens oder Südamerikas viel stärker profitieren. Ein harter Brexit kommt im Wesentlichen einer Amputation gleich.
Ein weicher Brexit wäre Ausdruck einer Sichtweise, wonach Großbritannien immer noch ein Teil Europas ist und von engen Verbindungen mit der EU durchaus profitieren würde, wobei insbesondere die City of London von der Offenheit gegenüber ausländischen Arbeitskräften sowie von reibungslosen Kapitalströmen abhängig ist. Im Rahmen dieses Arrangements müsste sich Großbritannien weiterhin an die EU-Regeln halten und sicherstellen, dass wirtschaftliche und politische Beziehungen mit Europa eine zentrale Stellung in der britischen Politik einnehmen.
Ein derartiger weicher Brexit käme einem Triumph der realistischen Weltsicht über eine kontraproduktive Perspektive gleich, die von einer wenig plausiblen Vorstellung von Souveränität untermauert ist. Für Großbritannien wäre das die bessere Option, doch eine Entscheidung dafür ist mit großen Hindernissen konfrontiert.