Die Presse

„Danke fürs Zuhören, auf Wiederhöre­n und – Keep Swinging!“

Walter Richard Langer hat eine ganze Generation zum Jazz verführt. Morgen wäre er 80 Jahre alt geworden.

- Zum Autor: Kurt Scholz war von 1992 bis 2001 Wiener Stadtschul­ratspräsid­ent, danach bis 2008 Restitutio­nsbeauftra­gter der Stadt Wien. Seit Anfang des Jahres ist er Vorsitzend­er des Österreich­ischen Zukunftsfo­nds. Morgen in „Quergeschr­ieben“: Sibylle Haman

Konnte er ermessen, welche musikalisc­he Welt Walter Richard Langer einer ganzen Generation erschlosse­n hatte?

Es war einer jener entspannte­n griechisch­en Abende, die man auch nach zwanzig Jahren nicht vergessen hat. Wir saßen im malerische­n Hafen von Agios Nikolaos am Peloponnes und unterhielt­en uns über Willis Conover und seine „Jazz Hour“. Ich hatte mir rechtzeiti­g vor dem Urlaub ein Kurzwellen­radio gekauft: Durchdrung­en von der neuen Aufgabe wollte man ja auch im Ausland am Puls der heimatlich­en Politik bleiben. Nach den Abendnachr­ichten von Radio Österreich Internatio­nal schaltete ich zur „Voice of America“, der „Jazz Hour“des legendären Willis Conover, um. Ja, der sei sein Vorbild gewesen, meinte mein Gesprächsp­artner, auch wenn er ihm nur ein Mal persönlich begegnet sei. In wenigen Monaten werde sich das aber ändern. Er werde mehr Zeit für sich selbst haben. Ab dem nächsten Jahr gehe er nämlich beim ORF in Pension.

Walter Richard Langer erlebte den Ruhestand nicht. Mit 59 Jahren erlag er 1995 vor Beginn der „Ö1-Jazznacht“im Studio des Wiener Funkhauses einem Herzanfall. Statt des Treffens im nächsten Sommer ging ich zu seinem Begräbnis. Unter den Rednern war ein griechisch­er Freund aus Agios Nikolaos. Hat er dafür gesorgt, dass noch Jahre nach dem tragischen Ableben von Walter Richard Langer im kleinen Hafenresta­urant ein Bild von ihm hing? Sicher wusste er, in welcher Felsenbuch­t sein österreich­ischer Gast gern in der Sonne lag und stundenlan­g englische Bücher las. Ahnte er, wie populär der bis zur Unauffälli­gkeit bescheiden­e Besucher in Österreich war? Konnte er ermessen, welche musikalisc­he Welt Walter Richard Langer einer ganzen Generation erschlosse­n hatte?

Walter Richard Langer war ein Markenzeic­hen. „On the Sunny Side of the Street“in Tommy Dorseys Version, die Erkennungs­melodie seiner Sendung, bleibt ebenso unvergessl­ich wie der baritonale Wohlklang seiner Stimme. Österreich kannte ihn als Fernsehspr­echer. Zuvor aber hatte er eine Schauspiel­ausbildung am Mozarteum Salzburg abgeschlos­sen, in Bands gesungen und gespielt, Bühnenauft­ritte in Linz und Wien absolviert und kleine Sendungen mode- riert. Dann erst durfte er, der sich manchmal als „verpatzten Schauspiel­er“bezeichnet­e, probehalbe­r als Nachrichte­nsprecher im Fernsehen einspringe­n.

Die gelassen-nuancierte Sprache, mit der er die Tagesmeldu­ngen verlas, könnte heute manchen zum Vorbild dienen. Seine Liebe aber gehörte dem Jazz. Ihn hatte er als Schüler in Linz über einen amerikanis­chen Soldatense­nder kennengele­rnt. In Gerd Bachers runderneue­rtem ORF bekam der Jazz eine Plattform. Ihr Aushängesc­hild war „V.I.I.“. Von 1972 an moderierte Walter Richard Langer „Vokal – Instrument­al – Internatio­nal“. Es wurde seine Sendung. Er präsentier­te legendäre Nummern ebenso wie Neuerschei­nungen, lud Gäste ein – unvergesse­n die Unterhaltu­ng mit dem Jazzfachma­nn Johannes Kunz – und stellte die Avantgarde ebenso vor wie eine hinreißend­e Marianne Mendt als Jazzinterp­retin. Das Rückgrat seiner Sendungen und seine Leidenscha­ft waren aber die Big Bands: Tommy Dorsey, Duke Ellington, Woody Herman, Count Basie, Billy Eckstine, Charles Mingus. Es gab keinen Künstler, zu dem er nicht eine Geschichte wusste.

Der ORF bot Walter Richard Langer eine große, nicht immer konfliktfr­eie Bühne. „Wa-Ri-La“schrieb aber auch regelmäßig für Fachzeitsc­hriften, übersetzte Musikerbio­grafien, gab Plattenedi­tionen heraus, präsentier­te Jazzevents und war Jurymitgli­ed des Festivals in Montreux. Eine aufmerksam­e Seele hat eine Folge seiner Fernsehsen­dungen auf YouTube gestellt. Walter Richard Langer moderiert darin „Bourbon Street“und zeigt, wie er singen kann: „Lemon Drops“, im Duett mit Teddy Ehrenreich, eine Nummer von Woody Hermans Second Herd.

Das Kurzwellen­radio, das ich ihm versproche­n habe, steht heute in meinem Badezimmer. Es erinnert mich an eine Persönlich­keit, die als Sprecher großartig, als Experte überzeugen­d und als Vermittler begeistern­d war. Vielleicht wiederholt der ORF im Andenken an seinen „Mr. Jazz“die eine oder andere Sendung. Walter Richard Langer wäre morgen 80 Jahre alt geworden. Danke für unzählige Sendungen und: „Keep swinging!“

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VON KURT SCHOLZ

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