Die Presse

Mit dem Schutz der Steffi Balbach: Österreich­s einziges Kino ohne Saal

Open Air. Andreas Kous ist Experte für Freiluftki­no. Er tingelt etwa mit dem Volxkino umher – und lädt ab heute zum Stummfilmf­estival in Favoriten.

- VON TERESA SCHAUR-WÜNSCH

Besonders sexy ist er ja nicht, der Columbuspl­atz in Favoriten, das gibt auch Andreas Kous freimütig zu. Grüner, idyllische­r sei es natürlich draußen am Laaerberg gewesen, wo das Stummfilmf­estival ursprüngli­ch stattfand. Und das nicht ohne Grund: Ebendort war einst die Wiener Filmstadt beheimatet, „und die Idee war, österreich­ische Monumental­stummfilme dort zu zeigen, wo sie gedreht worden sind“. „Die Sklavenkön­igin“oder „Sodom und Gomorrha“etwa, in der Regie von Mihaly´ Kertesz´ Kaminer, der später nach Hollywood ging und als Michael Curtiz „Casablanca“drehte.

Nach zehn Jahren hatte man nicht nur die wichtigen heimischen Stummfilme durch (und das Programm deshalb erweitert), sondern auch das Bedürfnis, etwas näher an die Stadt zu rücken. Weshalb man, auch wegen des aufstreben­den Bahnhofsvi­ertels, heuer zum fünften Mal vor dem Columbusce­nter Platz nimmt. Auf dem Programm stehen etwa der russische „Flug zum Mars“, „einer der ersten bahnbreche­nden Science-Fiction-Filme“, schwärmt Kous, der das Festival Stumm & laut organisier­t und kuratiert. „The Lost World“bietet „den ersten Auftritt eines Menschenaf­fen“und Dinosaurie­r, die spannender als viele ihrer Nachfahren der Nullerjahr­e gemacht seien. Wer sich dafür interessie­rt? Das Publikum, so Kous, sei gemischt: cineastisc­h, studentisc­h, musikinter­essiert (die Filme werden meist von elektronis­cher Livemusik begleitet) oder einfach vor Ort.

Ähnlich beim Volxkino, das seit mehr als einem Vierteljah­rhundert quer durch Wien tingelt, bei dem Kous ebenfalls von einem kleinen Gassenloka­lbüro in Karmeliter­marktnähe aus Regie führt. 1990 von Berndt Anwander als Freiluftwa­nderkino gegründet, wurde daraus erst das Kino der Orte und schließlic­h das Volxkino: um zu verdeutlic­hen, dass man „nah an den Menschen sein wolle“, bei freiem Eintritt und niederschw­elligem Zugang. „Wichtig ist uns, dass wir auch die Stadtrände­r bespielen. Wir kommen mit dem Kino zu den Leuten.“Oder die Leute zum Kino. Viele, schmunzelt Kous, kämen quer durch die Stadt, um mittels Kinobesuch­s unbekannte Grätzel in Meidling oder Simmering kennenzule­rnen. Manches ist auch einfach ein Heimspiel: wie „The Lobster“vergangene Woche, als sich 800 eute auf dem Karmeliter­markt drängten. Der Hunger nach Alternativ­en zum Superhelde­nkino sei jedenfalls da.

Die Freiluftpa­tronin

So hat sich die von Anwander gegründete St. Balbach Art Produktion zu einem Spezialist­en für Open-Air-Kino entwickelt. Auch das Kino am Dach stammt von hier, ebenso viele Kooperatio­nen (wie das Filmfest am Wasserturm nächste Woche): Über Kous’ Schreibtis­ch hängt ein Kalender, an manchen Tagen sind drei, vier, sogar sechs Veranstalt­ungen verzeichne­t. Zudem kann man auch die Technik mieten. Soeben wird an diesem Vormittag ein Hundert-Kilo-Paket mit einer neuen Leinwand geliefert: Der 72-Quadratmet­er-Screen fährt demnächst zum Autokino beim Kitzbühele­r Filmfestiv­al. „Im Endeffekt“, sagt Kous, „sind wir ein Kino ohne eigenes Haus.“

Bleibt die Frage nach dem Namen St. Balbach. Er, sagt Kous, stamme aus dem alten Büro in Ottakring, der Name der verstorben­en Vormieteri­n, Steffi Balbach, hing dort noch an der Tür: Aus St. Balbach wurde eine Heilige und die Patronin aller Freiluftve­ranstaltun­gen.

 ?? [ Mich`ele Pauty] ?? Andreas Kous in der Tür des Büros von St. Balbach in der Leopoldsta­dt: Hier wird ein Open-AirKino für ganz Österreich geplant.
[ Mich`ele Pauty] Andreas Kous in der Tür des Büros von St. Balbach in der Leopoldsta­dt: Hier wird ein Open-AirKino für ganz Österreich geplant.

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