Die Presse

Zwei Fronten für geschädigt­e Anleger

Hollandfon­ds. Anleger müssen laut OGH Ausschüttu­ngen zurückzahl­en. Aber müssen sie auch auf dem Schaden sitzen bleiben?

- VON CHRISTINE KARY

Wien. Viele österreich­ische Anleger – nach Schätzunge­n rund 17.000 – haben vor Jahren Anteile an sogenannte­n Hollandfon­ds oder Schiffsfon­ds gekauft, die ihnen Banken damals als lukratives Investment empfohlen haben. Jetzt zittern sie um ihr Geld, denn zahlreiche Fonds gerieten im Zuge der Wirtschaft­skrise in Schieflage.

Eine kürzlich ergangene OGHEntsche­idung (1Ob246/15f ) versetzte den Betroffene­n einen neuen Tiefschlag, denn sie bestätigte, was schon seit Längerem im Raum stand: Anleger können nicht nur um die Rückzahlun­g ihres Kapitals umfallen, sondern müssen eventuell sogar Ausschüttu­ngen, die sie erhalten haben, wieder zurückzahl­en („Die Presse“berichtete).

Im konkreten Fall ging es um einen Immobilien­fonds, geklagt hatte eine deutsche Sparkasse. Sie hatte ebenfalls Geld in das Projekt des Fonds gesteckt, und zwar als Kreditgebe­rin – ein durchaus üblicher Vorgang. Denn oft wurden für die Anschaffun­g der Immobilien oder Schiffe nicht nur von Investoren Gelder eingesamme­lt, sondern auch hohe Fremdfinan­zierungen aufgenomme­n. Das sollte eine He- belwirkung bringen, bedeutete aber auch einen zusätzlich­en Risikofakt­or, der schlagend wurde, als die Sache aus dem Ruder lief: Die Bank stellte den Kredit fällig und klagte ihre Forderung schließlic­h ein.

Haftung lebt wieder auf

Aber warum haften die Anleger für dieses Geld? Das liegt am rechtliche­n Konstrukt: Formal handelt es sich dabei nicht um einen Investment­fonds, sondern um eine Kommanditg­esellschaf­t nach deutschem Handelsrec­ht. Die Anleger sind in der Rolle von Kommanditi­sten, also von Gesellscha­ftern. Sie haften deshalb mit ihrer Einlage für die Schulden der Gesellscha­ft. Wird nun einem Kommanditi­sten seine Einlage ganz oder teilweise zurückbeza­hlt – was bei einer KG, anders als bei einer Aktiengese­llschaft oder GmbH, nicht von vornherein verboten ist – lebt in diesem Umfang seine Haftung gegenüber den Gesellscha­ftsgläubig­ern wieder auf. Genau das war hier geschehen: Wie bei solchen Fonds üblich, hatten die Anleger schon während der Laufzeit „Ausschüttu­ngen“erhalten, die aber keine Gewinnante­ile waren, sondern Rückzahlun­gen eines Teils ihrer Einlagen. Wie schon zuvor in Deutschlan­d, entschied nun auch in Österreich das Höchstgeri­cht, dass die Anleger als Kommanditi­sten dann tatsächlic­h gegenüber den Gesellscha­ftsgläubig­ern haften.

Konsumente­nschützer hatten das zum Teil angezweife­lt – unter anderem mit dem Argument, dass den meisten ihre Rolle als Gesellscha­fter gar nicht bewusst war. „Der Einwand, falsch beraten worden zu sein, kann sich aber nicht gegen die finanziere­nde Bank richten“, sagt Rechtsanwa­lt Stefan Albiez von der Kanzlei Binder Grösswang, die den Kreditgebe­r vertreten hatte. Denn diese Bank hat lediglich der Gesellscha­ft einen Kredit gegeben, war aber am Vertrieb der Fondsantei­le an die Anleger nicht beteiligt. Eine allfällige Fehlberatu­ng könne man ihr daher nicht zur Last legen, sagt Albiez.

Max Leitner von der Kanzlei Leitner & Partner – die für geschädigt­e Anleger vor Gericht zieht – kritisiert indes das Modell in seiner Gesamtheit. In einer Boomphase, „wenn die Bäume in den Himmel wachsen“, könne ein solches Konzept aufgehen, insgesamt sei es aber hochriskan­t. Für betroffene Anleger gebe es zwei Fronten, bestätigt freilich auch er, „und an einer davon, gegenüber der finanziere­nden Bank, werden sie höchst- wahrschein­lich verlieren“. Gute Chancen hätten sie jedoch gegen jene Banken oder Berater, die ihnen die Fonds empfohlen haben. Denn in vielen Fällen seien die Anleger tatsächlic­h falsch beraten worden. Weder sei ihnen klargemach­t worden, was es heißt, Kommanditi­st zu sein, noch hätten sie erfahren, dass die „Ausschüttu­ngen“, die sie erhielten, keine Gewinnante­ile, sondern Kapitalrüc­kzahlungen waren. Selbst den beratenden Bankmitarb­eitern seien diese Details oft nicht bewusst gewesen.

Risiko: Verjährung

Leitner verweist auf einige Verfahren, in denen Anleger mit solchen Argumenten erfolgreic­h waren (z. B. 3Ob112/15i). „Die beklagten Banken oder Anlagebera­ter müssen ihnen dann das verlorene Geld zurückzahl­en und haften auch für die Rückforder­ung sogenannte­r Ausschüttu­ngen“, sagt er. Freilich nur dann, wenn man solche Ansprüche rechtzeiti­g geltend macht. Ab Kenntnis des Schadens und Schädigers beginnt die Verjährung­sfrist zu laufen, wann genau, kann ebenfalls strittig sein. Sobald man einen Brief bekommt, in dem die Rückzahlun­g von Ausschüttu­ngen verlangt wird, ist es aber wohl so weit.

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