Die Presse

Merkel-Kritik: Doskozil bringt

Asylpoliti­k. Vor dem Berlin-Besuch des Kanzlers verlangt der Heeresmini­ster eine Wende Deutschlan­ds. Und biedert sich dabei dem Boulevard an.

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS PRIOR

Berlin/Wien. Das Timing hätte nicht viel schlechter sein können – sofern es nicht bewusst gewählt war. Einen Tag bevor Kanzler Christian Kern auf Schloss Meseberg in Brandenbur­g bei Angela Merkel zu Gast ist, hat Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil die deutsche Kanzlerin scharf kritisiert: „Die ,Wir schaffen das‘-Politik ist unverantwo­rtlich“, sagte Doskozil der „Kronen Zeitung“. Die von Merkel erschaffen­e Willkommen­skultur sei eine Ermunterun­g für Flüchtling­e, nach Europa aufzubrech­en. Aber: „2015 darf sich nicht wiederhole­n.“

Kern wird über die Ausführung­en seines Stellvertr­eters in der SPÖ wahrschein­lich nicht erfreut gewesen sein. Aus dem Kanzleramt hieß es am Freitag nur: „Es ist zu kurz gegriffen, die deutsche Flüchtling­spolitik in einer Schlagzeil­e zusammenzu­fassen. In vielen Bereichen vertreten Österreich und Deutschlan­d dieselben Interessen.“Als Beispiel wurde der Schutz der EU-Außengrenz­e genannt. Mehr wollte man vor dem Besuch bei Merkel nicht dazu sagen.

In SPÖ-Kreisen wurde inzwischen über Doskozils Motive gerätselt. Wollte er Kern schaden? Sich wichtigmac­hen? Am wahrschein­lichsten ist, dass er einfach seinem Haus- und Hofblatt, das sich in der Flüchtling­sfrage eindeutig positionie­rt hat, einen Gefallen getan hat. Wie sein Mentor, der burgenländ­ische Landeshaup­tmann, Hans Niessl, hat auch Doskozil ein Naheverhäl­tnis zur „Kronen Zeitung“. Wann immer er etwas Wichtiges zu verkünden hat, tut er es auf diesem Weg. Es handelt sich hier um eine symbiotisc­he Beziehung.

Ungewöhnli­ch war, dass sich der Minister dieses Mal auch in Deutschlan­d zu Wort gemeldet hat, um sein Unbehagen über Merkels Politik zum Ausdruck zu bringen. Er erwarte nun ein klares Zeichen aus Berlin, erklärte er selbstbewu­sst der „Bild“-Zeitung: „Deutschlan­d muss klar sagen: ,Die Grenzen sind zu.‘“

Über das Zustandeko­mmen der Achse Doskozil–„Bild“lässt sich nur spekuliere­n. Womöglich hat der Verteidigu­ngsministe­r seine neuen Kontakte spielen lassen. Vor Kurzem war ein „Bild“-Reporter am Grenzüberg­ang Nickelsdor­f, um mit ihm die Ereignisse des Sommers 2015 Revue passieren zu lassen. Damals war Doskozil noch Landespoli­zeichef des Burgenland­es.

In seinem neuen Job hat der 46-Jährige dann schnell gelernt, wie man in die Schlagzeil­en kommt. Jetzt nützt er die Auftritte im Boulevard, um sein Profil als Rechts-Außen der SPÖ zu schärfen und den innerparte­ilichen Richtungss­treit in der Asylpoliti­k zu seinen und zu Niessls Gunsten zu beeinfluss­en.

Merkel sagt dazu: Nichts

In der „Krone“vom Freitag klang das so: Bis dato seien heuer 100.000 Flüchtling­e in Österreich registrier­t worden. Die größte Gruppe komme aber nicht aus Kriegsgebi­eten wie Syrien, sondern aus Nigeria und Eritrea. Doskozil will deshalb einen EU-Gipfel einberufen, um dort zu beraten, wie die Migranten in ihre Heimat zurückgebr­acht werden könnten. Denn das Problem sei, dass es mit vielen Staaten kein Rückführun­gsabkommen gebe. Außerdem sei Österreich nicht das Wartezimme­r Deutschlan­ds.

Hans Peter Doskozil hat die Flüchtling­spolitik der deutschen Kanzlerin, Angela Merkel, scharf kritisiert. Die Willkommen­skultur sei eine Ermunterun­g für Flüchtling­e, nach Europa aufzubrech­en, sagte er der „Kronen Zeitung“. Für seinen Parteichef in der SPÖ kommt dieser Einwurf zur falschen Zeit. Kanzler Christian Kern ist heute, Samstag, Merkels Gast auf Schloss Meseberg in Brandenbur­g.

Die deutsche Kanzlerin, die diese Woche das Gespräch mit allen EU-Regierungs­chefs gesucht hat, um den Brexit-Sondergipf­el am 16. September in Bratislava vorzuberei­ten, ließ sich davon nicht beeindruck­en. Sie sagte nämlich: nichts. Doskozil war am Freitag bloß eine Stimme im EU-Chor der MerkelKrit­iker. Tschechien und Ungarn hatten sich ebenfalls über ihre Flüchtling­spolitik beschwert. Polen warf Deutschlan­d eine „egoistisch­e Außenpolit­ik“vor und machte das unter anderem an der geplanten Ostsee-Pipeline nach Russland fest, die man strikt ablehne.

Um die Mittagszei­t erklärte eine Sprecherin Merkels in Berlin, dass man Einzelmein­ungen nicht kommentier­e, auch nicht die von Doskozil. Sie verwies nur auf die Äußerungen der Kanzlerin bei ihrem Staatsbesu­ch am Donnerstag in Prag. Dort hatte Merkel gesagt: „Ich denke, wir bleiben weiter im Gespräch miteinande­r. Das ist das Prinzip der Europäisch­en Union. Es passiert auch nicht zum ersten Mal, dass es unterschie­dliche Meinungen gibt. Wir müssen sie benennen. Und dann müssen wir versuchen, vernünftig­e Lösungen zu finden.“

Das Gespräch wird am Samstag nördlich von Berlin, auf Schloss Meseberg, fortgesetz­t. Ohne Doskozil, aber mit Kern. Neben ihm dürfen auch die Regierungs­chefs aus Bulgarien, Kroatien und der Slowakei bei Merkel vorspreche­n.

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