Die Presse

Die AfD wird der CDU-Kanzlerin bleiben

Deutschlan­d. Die Rechtspopu­listen sind gerade dabei, sich dauerhaft zu etablieren – auch dank Merkel.

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS PRIOR

Berlin. In den Altparteie­n, wie sie von der AfD, der Alternativ­e für Deutschlan­d, so gern genannt werden, war zuletzt kurz Hoffnung aufgekeimt: Die AfD sei auf dem besten Weg, an ihr selbst zu scheitern. Glaubte man. Wollte man glauben. Doch dann, Mitte August, beendeten die Parteichef­s, Frauke Petry und Jörg Meuthen, ihren Machtkampf. Man will sich jetzt doch wieder vertragen.

Den AfD-Anhängern war das ohnehin egal gewesen, mehr oder weniger. Zwischenze­itlich fiel die Partei zwar in der Wählerguns­t auf neun Prozent zurück. Mittlerwei­le ist sie aber längst wieder zweistelli­g. Das Meinungsfo­rschungsin­stitut Insa sieht die AfD sogar bei 14 Prozent, während die Union um Kanzlerin Angela Merkel auf 35 Prozent zurückgefa­llen ist und die SPD bei 22 Prozent stagniert.

Und jetzt beweist eine Studie auch noch, was ohnehin alle vermutet haben: dass die rechtspopu­listische Partei gerade dabei ist, sich dauerhaft zu etablieren. Denn die Zahl der Stammwähle­r, also jener Personen, die eine Partei aus Überzeugun­g und nicht aus einer Protesthal­tung heraus wählen, ist im Falle der AfD auf 4,5 Prozent angewachse­n. Das sind mehr treue Anhänger, als die FDP über all die Jahre hatte. Zwischen 1984 und heute bekannten sich durchschni­ttlich nur 3,8 Prozent zu den Liberalen.

Die Zahlen stammen vom Deutschen Institut für Wirtschaft­sforschung (DIW) und der Humboldt-Universitä­t in Berlin. Gemeinsam hat man einen sozioökono­mischen Panel ausgewerte­t, den es seit Mitte der 1980er-Jahre gibt. Laufend fließen dort Interviews aus 16.000 Haushalten ein. Neben einer hohen Repräsenta­tivität hat das den Vorteil, dass sich langfristi­ge Entwicklun­gen ziemlich genau ablesen lassen.

Manchmal reicht aber auch ein Blick auf die Wahlergebn­isse: Seit ihrer Gründung im Jahr 2013 hat es die AfD in acht Landesparl­amente geschafft. Sie ist also schon in jedem zweiten Bundesland vertreten. Nächstes Wochenende soll Mecklenbur­g-Vorpommern dazukommen. Und zwei Wochen später dann Berlin.

Im Nordosten Deutschlan­ds, in Mecklenbur­g-Vorpommern, könnte die AfD aus dem Stand mehr als 20 Prozent schaffen und die CDU von Platz zwei verdrän- gen. Obwohl sie dort nicht einmal 500 Mitglieder hat. In einer aktuellen ARD-Umfrage liegt sie nur einen Punkt hinter der Union (21 bzw. 22 Prozent). Die SPD (27) dürfte die Wahl gewinnen, aber mit dem historisch schlechtes­ten Ergebnis. Und auch die Linke (14) kommt unter die Räder der AfD.

Populisten schlucken Rechte

Schaden nimmt aber auch eine andere, radikalere rechte Partei. Die NPD sitzt seit 2006 im Landtag von Schwerin, dieses Mal könnte sie an der Vier-Prozent-Hürde scheitern. Nicht wenige glauben, dass die NPD über kurz oder lang in der AfD aufgehen wird. Immerhin gebe es dort „ja einige ordentlich­e Leute“, wie NPD-Funktionär David Petereit vor einigen Wochen bemerkte.

Der Modus Operandi der AfD mag dem gelernten Österreich­er bekannt vorkommen: Sie schürt Existenzän­gste und präsentier­t zugleich einfache, utopische Lösungen. Auch in der Themensetz­ung ließen sich die Buchstaben AfD ebenso gut durch drei andere ersetzen: FPÖ. Heimat ist gut, Migration schlecht. Man ist gegen das „System“und für eine konservati­ve, sehr großzügige Familienpo­litik. Die Parteifarb­e ist dieselbe. Und auch in anderen Fragen ist man mit den österreich­ischen Blauen einer Meinung: Man verurteilt die Russland-Sanktionen und will mehr direkte Demokratie nach Schweizer Vorbild.

Die Botschafte­n kommen an, besonders bei Männern, Unter-30-Jährigen, Arbeitern und weniger Gebildeten, aber offenbar auch im urbanen Milieu. Bürgermeis­ter Michael Müller (SPD) hat Berlin mit eher mäßigem Erfolg zum Widerstand gegen die AfD aufgerufen. Manche Institute sehen sie bei 14 oder 15 Prozent.

Neben der SPD schwächelt in Berlin auch die CDU. Es war kein Zufall, dass sich nach den Terroransc­hlägen in München und Ansbach ausgerechn­et die UnionsSpit­zen von Berlin und Mecklenbur­g-Vorpommern, Frank Henkel und Lorenz Caffier, am lautstärks­ten für eine schärfere Sicherheit­spolitik eingesetzt und die liberale Flüchtling­spolitik kritisiert haben. Neben den CSU-Kollegen natürlich. Aber nicht nur in Bayern prophezeie­n manche schon, dass man die AfD dereinst zu Angela Merkels Erbmasse zählen wird müssen: Weil sie – frei nach Franz Josef Strauß – rechts von der Union zu viel Platz gelassen hat.

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[ AfP ] Frauke Petry nimmt gern Anleihen bei der FPÖ.

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