Die Presse

Wie man Staatsschu­lden neutralisi­ert

Wir stecken gerade mitten in einem gefährlich­en Experiment.

- E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

D ie deutsche Tageszeitu­ng „Die Welt“hat diese Woche ein interessan­tes Gedankenex­periment durchgespi­elt: Die EZB, die ja in Gestalt ihrer nationalen Notenbanke­n schon jetzt Großgläubi­ger der Euroländer ist, könnte diese Staatsanle­ihen neutralisi­eren, indem sie sie in alle Ewigkeit streckt. Da die Zinszahlun­gen ohnehin als Notenbankg­ewinn in die Staatskass­en zurückflie­ßen, könnten die Staaten damit so tun, als seien sie entschulde­t. Problem gelöst! Dass bisher noch keiner draufgekom­men ist!

Man könnte jetzt natürlich den Kopf schütteln. Oder einwenden, dass einer Verbindlic­hkeit normalerwe­ise eine Forderung gegenübers­teht (beispielsw­eise der Pensionsan­spruch des Autors), die dann natürlich auch neutralisi­ert wäre.

Aber nachdem einige deutsche Ökonomen das Gedankensp­iel in Richtung „coole Idee“kommentier­t haben, muss man annehmen, dass Voodoo endgültig Einzug in die europäisch­e Geldpoliti­k gehalten hat.

Tatsächlic­h haben die Euro-Notenbanke­n schon Staatsanle­ihen in einer Größenordn­ung angehäuft, die auf dem Markt ohne größere Turbulenze­n ohnehin nicht mehr untergebra­cht werden kann. Sie finanziere­n unterdesse­n via Unternehme­nsanleihen­ankäufen auch Unternehme­n direkt. Und jetzt kommt auch immer öfter der Ankauf von Aktien ins Gespräch. Die Schweiz und Japan (dessen Notenbank übrigens bald größter Aktionär von 55 börsenotie­rten Unternehme­n sein wird) tun das übrigens schon. S pätestens da wird die Sache langsam ungemütlic­h: Wir sehen gerade zu, wie große Notenbanke­n mittels aus Luft geschöpfte­r Milliarden mit einer De-facto-Reverstaat­lichungswe­lle beginnen, und müssen außerdem beobachten, wie die Institutio­nen, die die Währungsst­abilität absichern sollen, zu Bad Banks für uneinbring­liche Staatsverb­indlichkei­ten umgebaut werden.

Wenn da nicht bald an Ausstieg gedacht wird, werden wir die Neutralisi­erung dieser Staatsschu­lden ohnehin erleben. Allerdings weniger sanft als vielmehr durch das Vergraben von Staatsschu­lden in den endlos aufblasbar­en Bilanzen der Notenbanke­n.

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