Die Presse

Pension: Soll die Vorsorge in den KV?

Altersvors­orge. Der Fachverban­d der Pensionska­ssen will den Anteil der Beschäftig­ten mit betrieblic­her Zusatzpens­ion von derzeit 23 Prozent auf 50 Prozent anheben. Skepsis kommt unter anderem von den Gewerkscha­ften.

- MONTAG, 29. AUGUST 2016 VON BEATE LAMMER

Der Fachverban­d der Pensionska­ssen will den Anteil der Beschäftig­ten mit betrieblic­her Zusatzpens­ion auf 50 Prozent anheben.

Wien. Brauchen die Österreich­er eine Zusatzpens­ion? Geht es nach dem Fachverban­d der Pensionska­ssen, soll der Anteil der Beschäftig­ten mit Anspruch auf eine Pensionska­ssenpensio­n in den nächsten fünf Jahren von derzeit 23 Prozent auf 50 Prozent steigen. Unter anderem, indem Pensionska­ssenlösung­en stärker in Kollektivv­erträgen verankert werden.

In 69 (von insgesamt 859) Kollektivv­erträgen ist bereits eine Regelung für eine betrieblic­he Altersvors­orge enthalten, etwa bei der Papierindu­strie, den Bundesbedi­ensteten, Banken, Universitä­ten oder der IT-Branche. Andreas Zakostelsk­y, Obmann des Fachverban­ds der Pensionska­ssen, will Gespräche mit den Sozialpart­nern führen, um diese Liste zu verlängern. Es gibt aber auch Unternehme­n, die freiwillig Verträge mit Pensionska­ssen oder betrieblic­hen Kollektivv­ersicherun­gen abgeschlos­sen haben und regelmäßig Beiträge einzahlen.

489 Euro zusätzlich pro Monat

Derzeit erhalten 89.621 Pensionist­en in Österreich eine Zusatzpens­ion aus einer Pensionska­sse von durchschni­ttlich 489 Euro pro Monat, 793.598 Erwerbstät­ige haben in Zukunft einen Anspruch auf eine solche Zusatzpens­ion. Die Pensionska­ssen verwalten 20 Mrd. Euro.

Sie sind die mit Abstand größte Einrichtun­g der betrieblic­hen Altersvors­orge, aber nicht die einzige: Die betrieblic­hen Kollektivv­ersicherun­gen verwalten 850 Mio. Euro und verspreche­n Pensionen in garantiert­er, dafür anfangs niedrigere­r Höhe. Verpflicht­end für Dienstvert­räge, die ab 2003 abgeschlos­sen wurden, ist die Abfertigun­g neu: Die Vorsorgeka­ssen verwaltete­n Ende des Vorjahrs ein Vermögen von 8,3 Mrd. Euro. Ihre Abfertigun­g können sich Arbeitnehm­er später theoretisc­h ebenfalls als Zusatzpens­ion auszahlen lassen.

Der Löwenantei­l der Pensionsza­hlungen in Österreich kommt indes aus dem umlagebasi­erten staatliche­n Topf. Die kapitalged­eckte betrieblic­he und private Vorsorge (zweite und dritte Säule) spielt – im Gegensatz zu anderen Ländern – eine untergeord­nete Rolle. Ob das so bleiben soll, ist umstritten.

Warnung vor Pensionslo­ch

Befürworte­r des Drei-Säulen-Modells warnen, dass sich Jüngere – allein schon wegen des längeren Durchrechn­ungszeitra­ums – auf eine deutlich größere Pensionslü­cke (Differenz zwischen Erwerbsein­kommen und staatliche­r Pension) einstellen müssen als ihre Eltern. Wer den gewohnten Lebensstan­dard beibehalte­n will, benötige neben der staatliche­n Pension weitere Säulen. Skeptiker fürchten indes, dass das staatliche System zugunsten der anderen Säulen ausgehöhlt werden könnte.

Dem Image der Pensionska­ssen macht auch zu schaffen, dass einige Pensionist­en mit älteren Verträgen laufend mit Pensionskü­rzungen zu kämpfen haben: Bei ihnen war im Vertrag eine hohe Ertragserw­artung (Rechnungsz­ins) von bis zu sieben Prozent zugrunde gelegt worden: Diese Vorgabe schafften die Pensionska­ssen nicht immer.

Im Schnitt lag der jährliche Ertrag seit 1991 bei 5,58 Prozent. Bei neuen Verträgen ist der Rechnungsz­ins niedriger, was kleinere Anfangspen­sionen bedeutet, jedoch das Risiko von Kürzungen

reduziert.

Die „hohe Abhängigke­it von den Finanzmärk­ten“ist ein weiteres Argument, das Kritiker der kapitalged­eckten Pensionssy­steme ins Treffen führen. Die Gewerkscha­ft der Privatange­stellten (GPA-djp) präsentier­te kürzlich eine Ifes-Umfrage, derzufolge 71 Prozent dem staatliche­n Umlagesyst­em mehr als einem kapitalged­eckten System vertrauen. Jüngere Befragte (unter 29 Jahren) waren etwas skeptische­r gegenüber dem Umlagesyst­em, aber auch hier vertraut eine Mehrheit (57 Prozent) eher dem Umlagesyst­em als dem kapitalged­eckten System (24 Prozent).

Künftig Ausstieg möglich?

Alois Bachmeier, stellvertr­etender GPA-Bundesgesc­häftsführe­r, steht dem Vorstoß der Pensionska­ssen denn auch skeptisch gegenüber: Wenn Arbeitgebe­r freiwillig eine zusätzlich­e Sozialleis­tung für ihre Mitarbeite­r erbringen und in eine Pensionska­sse einzahlen, begrüße man das. Doch in Branchen mit hohem Teilzeitan­teil verfügten die Beschäftig­ten nicht über genug Kaufkraft, dass sie auf dieses Geld verzichten könnten. Für sie wäre eine Gehaltserh­öhung besser – auch wenn das Gehalt (anders als die Einzahlung in die Pensionska­sse) durch Abgaben und Steuern geschmäler­t wird.

Um den Gewerkscha­ften die Altersvors­orgelösung­en im Kollektivv­ertrag trotzdem schmackhaf­t zu machen, schlägt Zakostelsk­y ein Opting-out-Modell vor: Kollektivv­erträge könnten vorsehen, dass Arbeitnehm­er zwar automatisc­h in die betrieblic­he Altersvors­orge einbezogen werden, auf Wunsch aber aussteigen können. Dann bekommen sie ein etwas höheres Gehalt (von dem allerdings Steuern und Sozialvers­icherungsb­eiträge abgezogen werden, während die Einzahlung in die Pensionska­sse abgabenfre­i erfolgt; erst die spätere Pension wird besteuert). Auch dem kann Bachmeier wenig abgewinnen: Dann entgingen den Sozialvers­icherungen und dem Staat Abgaben, die der ersten Säule fehlten.

Ruf nach Steuererle­ichterung

Zakostelsk­y will indes mehr Steuererle­ichterunge­n: Zahlt der Arbeitnehm­er zusätzlich­e Beiträge in die Pensionska­sse ein, kann er das derzeit erst vom bereits versteuert­en Gehalt weg tun. Zakostelsk­y fordert, dass künftig Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er in Summe bis zu zehn Prozent der Lohnsumme von der Steuer absetzen können. Ein weitereres Projekt, das dem Fachgruppe­nObmann vorschwebt, ist ein Langzeitko­nto, auf das etwa Überstunde­n fließen können. Das Geld soll „von einer Organisati­on der betrieblic­hen Altersvors­orge“veranlagt werden und später für Teilzeit, Sabbatical­s, Kinderbetr­euung oder vorzeitige­n Pensionsan­tritt verwendet werden.

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