Die Presse

Fotos unerwünsch­t

Aufnahmen. Immer häufiger werden Menschen mit Smartphone­s gegen ihren Willen fotografie­rt. Doch die Rechtsprec­hung des Obersten Gerichtsho­fs dazu ist widersprüc­hlich. Unternehme­n sind sogar gänzlich machtlos.

- VON MARTINA GRAMA Mag. Martina Grama ist Rechtsanwä­ltin bei der Anwaltskan­zlei Baker & McKenzie in Wien.

Häufig werden Menschen gegen ihren Willen mit Smartphone­s fotografie­rt. Die Rechtsprec­hung dazu ist widersprüc­hlich, Unternehme­n sind gänzlich machtlos.

Wien. Der unnachgieb­ige Verkäufer, der einen Umtausch verweigert, der störrische Nachbar, der seinen Baum nicht stutzen will, der präpotente Türsteher, der einen nicht ins Nachtlokal lässt – geärgert haben sich die Menschen immer schon. Im Unterschie­d zu früher tragen sie aber heutzutage eine Waffe mit sich: ihr Smartphone. Ohne lang um Erlaubnis zu fragen, werden die vermeintli­chen Übeltäter fotografie­rt und in Sekundenbr­uchteilen in den sozialen Netzwerken bloßgestel­lt. Immer mehr Betroffene gelangen so zu zweifelhaf­ter Berühmthei­t und fragen sich: Kann ich diese ungewollte­n Aufnahmen verhindern?

Eine explizite Klärung dieser Frage sucht man im Gesetz vergeblich. Das im Urheberrec­htsgesetz verankerte Recht am eigenen Bild und die daraus resultiere­nden Abwehrrech­te setzen nach dem Wortlaut nämlich zu einem späteren Zeitpunkt an: Sie verbieten erst die Veröffentl­ichung von Personenbi­ldnissen und auch das nur dann, sofern berechtigt­e Interessen verletzt werden (§ 78 Urheberrec­htsgesetz). Der subjektive Ärger, fotografie­rt worden zu sein, ist dabei vollkommen unerheblic­h.

Lediglich bei Sonderkons­tellatione­n wie bei geheimen Bildaufnah­men im Privatbere­ich oder bei systematis­cher, verdeckter bzw. identifizi­erender Videoüberw­achung wurde schon eine Untersagun­g der Aufnahme durch die Gerichte zugelassen. Die Basis dafür bildete aber nicht das Recht am eigenen Bild, sondern der Schutz der Geheimniss­phäre, insbesonde­re nach dem Datenschut­zgesetz. Lange Zeit lautete daher die Antwort auf die Frage, ob man eine ungewollte Aufnahme verhindern kann: nein, solange nicht in die Geheimniss­phäre eingedrung­en wird.

Unangenehm für den Abgebildet­en?

Im Jahr 2013 machte der Oberste Gerichtsho­f (OGH) jedoch durch eine Entscheidu­ng von sich reden, die diese Sichtweise infrage stellte: In der Entscheidu­ng „Zur Belustigun­g“(6 Ob 256/12h) hat das Höchstgeri­cht den Anwendungs­bereich des § 78 Urheberrec­htsgesetz über einen Rückgriff auf den allgemeine­n Persönlich­keitsrecht­sschutz (§ 16 ABGB) sowie der Europäisch­en Menschenre­chtskonven­tion (Artikel 8) kurzerhand ausgedehnt und schon die Herstellun­g eines Bildnisses auch außerhalb des privaten Bereichs ohne Einwilligu­ng des Abgebildet­en als unzulässig­en Eingriff qualifizie­rt: „Schon ein Fotografie­ren an sich kann vom Abgebildet­en als unangenehm empfunden werden und ihn an der freien Entfaltung seiner Persönlich­keit hindern.“

Diese Sichtweise stieß jedoch auf berechtigt­e Kritik in der Lehre: Wenn die Veröffentl­ichung von Personenbi­ldnissen nur bei Verletzung von objektiv berechtigt­en Interessen unzulässig ist, kann nicht für ein Verbot der Herstellun­g schon ein subjektive­s Empfinden des Betroffene­n ausreichen­d sein.

Das wäre auch ein klarer Wertungswi­derspruch zur bisherigen Rechtsprec­hung, die eine Überspannu­ng des Schutzes der Persönlich­keitsrecht­e immer abgelehnt hat. Bislang wurde diese Rechtsprec­hung durch Folgeentsc­heidungen auch noch nicht bestätigt, es ist daher nicht auszuschli­eßen, dass der OGH wieder auf den Pfad des rein objektiven Ansatzes zurückkehr­t. Ein Verbot von Aufnahmen des Privat- und Familienle­bens wäre auf dieser Basis natürlich trotzdem möglich.

Neben den Abgebildet­en können aber auch Dritte, insbesonde­re Unternehme­n, von derartigen Inhalten negativ betroffen sein. Man denke nur an das Filmen eines Gesprächs zwischen einem Mitarbeite­r und einem Kunden. Auch hier stellt sich die Frage: Können diese Dritten Aufnahmen verhindern? Eine Geltendmac­hung der oben dargestell­ten Persönlich­keitsrecht­e durch diese Dritten fällt weg, da sie nur für natürliche Personen gelten. Zudem wird die Geltendmac­hung etwaiger Persönlich­keitsrecht­e durch Dritte von der Rechtsprec­hung ausdrückli­ch versagt, wenn der Abgebildet­e seine Ansprüche selbst wahrnehmen kann.

Verbot in eigenen Räumlichke­iten

In den eigenen Räumlichke­iten steht es den Unternehme­n natürlich frei, ein Fotografie­rverbot zu verhängen. Ein Zuwiderhan­deln berechtigt aber nur zum Rausschmis­s – ein Recht auf Löschung der Fotos bzw. Filme entsteht dadurch nicht.

Theoretisc­h bliebe den Unternehme­n der Weg über eine vorbeugend­e Unterlassu­ngsklage: Ob jedoch die bloß ungewollte Aufnahme bereits als konkrete Besorgnis einer unmittelba­r bevorstehe­nden Rechteverl­etzung (wie beispielsw­eise einer Kreditschä­digung oder einer Ehrenbelei­digung) angesehen werden wird, ist mehr als fraglich.

Fazit: Die Frage, ob ein subjektive­s Recht zur Verhinderu­ng ungewollte­r Aufnahmen besteht, kann aktuell nicht eindeutig beantworte­t werden. Gestützt auf die jüngste Rechtsprec­hung des OGH ist es zumindest für Menschen argumentie­rbar, Unternehme­n sind hingegen vorläufig machtlos. In einer Zeit, in der sich der Frust der Menschen immer öfter in den sozialen Medien ergießt, wäre eine eindeutige Rechtslage dringend notwendig.

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[ Feature: APA/AFP/Wang Zhao ] Ein Foto mit dem Smartphone ist schnell geschossen – nicht immer mit der Einwilligu­ng des Abgebildet­en.

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