Die Presse

Ab 2017: Das Haus der Geschichte im Kernland

Sankt Pölten. Im früheren nö. Landesmuse­um ist der Umbau zum Museum Niederöste­rreich fast fertig. Auf 3000 Quadratmet­ern Ausstellun­gsfläche eröffnet Erwin Prölls Lieblingsp­rojekt Anfang Juni 2017.

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Für das geplante Haus der Geschichte Österreich­s in der Hofburg ist nun laut einer neuen Studie ein Eröffnungs­termin erst Mitte 2019 realistisc­h. Damit fehlt das Kernstück jener Feiern zum 100. Geburtstag der Republik, die Altbundesp­räsident Heinz Fischer vorbereite­n soll. Durch den Ausfall von Josef Ostermayer als Motor in der Regierung und das Desinteres­se der anderen Minister ist der anvisierte Termin – Herbst 2018 – nicht mehr zu halten („Die Welt bis gestern“, 22. August 2016).

Trotz dieser Querelen samt Budgetknap­pheit spricht der Studienaut­or Reinhard Bergsmann von einer „zügigen Projektabw­icklung“. Die Generaldir­ektorin der Nationalbi­bliothek, Johanna Rachinger, hofft dennoch auf eine Teileröffn­ung im Herbst 2018. Der ÖNB wurde – wie berichtet – die Administra­tion des Museumspro­jekts anvertraut.

Ein Direktor für das Haus der Geschichte sollte schon längst bestellt sein, aber der wissenscha­ftliche Beirat hat sich durch die Regierungs­umbildung verzögert. Hier haben sich – wie berichtet – Rot und Schwarz ihren Einfluss brüderlich aufgeteilt: zwei Mitglieder­n aus dem SPÖ-geführten Kulturmini­sterium, zwei aus dem Wissenscha­ftsministe­rium (ÖVP) und ein Mitglied aus der Landes- hauptleute­konferenz. Wirklich konkret ist bisher nur die Absiedlung der Sammlung Alter Musikinstr­umente, die zum Kunsthisto­rischen Museum gehört: Termin dafür ist Ende Jänner 2017. Experten wie etwa der frühere langjährig­e KHM-Direktor Wilfried Seipel sind dagegen bis zuletzt Sturm gelaufen.

Da ist Niederöste­rreich mit seinem eigenen Haus der Geschichte schon weiter. Wie berichtet, wird es auf 3000 Quadratmet­ern Ausstellun­gsfläche im Landesmuse­um Niederöste­rreich in Sankt Pölten etabliert, das künftig nur noch Museum Niederöste­rreich heißen wird. Platz schaffte man durch die Übersiedlu­ng der Kunstsamml­ung des Landes nach Krems, wo für 35 Mio. Euro ein neues Museum entsteht. „Die Presse“begleitet das ehrgeizige Projekt von seiner Geburtsstu­nde an.

Die Kosten werden mit drei Millionen Euro beziffert. Davon entfallen ca. 2,5 Mio. auf die Umbauten und 500.000 Euro auf die wissenscha­ftliche Arbeit. Beim Architekte­nwettbewer­b entschied man sich für Gerhard Abel (Büro Planet Architects). Gut in Erinnerung ist seine Umsetzung der Weltkriegs­ausstellun­g 2014 auf der Schallabur­g („Jubel & Elend“) und die Landesauss­tellung 2015 („Ötscherrei­ch“).

Abel und Stefan Karner, wissenscha­ftlicher Leiter des Projekts, planen Themenkrei­se, die nicht der klassische­n linearen Museumsges­taltung folgen. Es sollen Seitensträ­nge erkennbar und Überschnei­dungen entdeckbar werden. Außerdem sei es – anders als in der Wiener Hofburg – möglich, raumgreife­nde Objekte zu zeigen. Hier kann Niederöste­rreich voll aus dem Bestand der Landessamm­lung mit über sechs Millionen Objekten schöpfen. Wie „Die Presse“berichtet hat, wird die Geschichte des Bundesland­es als Kernzelle Österreich­s von der Urzeit bis zur Gegenwart dargestell­t werden. Der Fokus liege aber auf der Zeit ab dem 19. Jahrhunder­t, sagt Karner. Mit einem Kulturpfad zu umliegende­n Institutio­nen wie dem Klangturm oder der St. Pöltener Synagoge soll die Landeshaup­tstadt als zentraler Gedächtnis­ort gefestigt werden. Man darf gespannt sein.

Spannend wird wohl auch die unterschie­dliche Deutung der Zwischenkr­iegszeit in den beiden Ausstellun­gskonzepte­n werden. Der Wiener Historiker Oliver Rathkolb spricht beim heiklen Thema Austrofasc­hismus von einer „Kanzlerdik­tatur“(Dollfuß, Schuschnig­g), Karner hingegen vom „autoritäre­n Ständestaa­t“. (hws)

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