Triumphale Entdeckung einer Belcanto-Trüffel
Salzburger Festspiele. Juan Diego Florez´ und Luca Salsi brillieren bei Nicolais „Il Templario“, einem Hit aus 1840.
Die Trüffelsuche wurde zum Triumph! Der Jubel, der Samstag im Großen Salzburger Festspielhaus nach der konzertanten Aufführung von Otto Nicolais Oper „Il Templario“ausbrach, war der Lohn für das Wagnis, ein Stück aufs Programm zu setzen, von dessen Existenz nur eingefleischte Kenner wussten.
Für so ein Unterfangen hilft es, als Lockstoff, als vokales Pheromon, einen Star einzuspannen. Praktischerweise hat sich Juan Diego Florez´ gleich selbst eingespannt, denn die Initiative ging von dem Tenor aus, der auch die Wiener Philharmoniker (Pheromon Nummer zwei) nicht lange vom Werk ihres Gründers überzeugen musste. Das Orchester zeigte sich denn auch in Bestform, präzise und klangsinnlich, mit herrlichen Holzbläsersoli und fein ziselierten Streicher-Linien.
Was man da unter der so dramatisch zupackenden wie fein austarierenden Leitung von Andres´ Orozco-Estrada zu hören bekommt, ist eine veritable Belcanto-Trüffel. Man kommt aus dem Staunen nicht heraus, wie es einem Deutschen gelang, sich den italienischen Stil der Zeit nicht nur anzueignen, sondern ihn auch zu prägen. Eine verschwenderische Fülle melodischer Einfälle, prägnante Rhythmik, süßelnde Sexten, waghalsige vokale Luftsprünge, effektsichere Instrumentierung: Nicolai hat die Essenz des Belcanto völlig aufgesogen, manchmal sogar im Übermaß. Hätte er mehr Ideen, so stünde er in der ersten Reihe der Komponisten, sagte er sinngemäß. Wie viel mehr denn bitte noch?
Ein Versuch, sich der Handlung zu nähern: Vilfredo liebt Rovena, Rovena liebt Vilfredo. Soweit also alles gut, hätte nicht Rovenas Vater Cedrico etwas dagegen, weshalb Vilfredo mit dem Papa bricht und Ablenkung im Kreuzzug sucht. Schwer verwundet, rettet ihn die Jüdin Rebecca, die ihm sofort ebenso verfällt wie Tempelritter Briano bald ihr. Briano entführt Rebecca, doch die fände sogar den Tod charmanter als diesen Grobian. Vilfredo will nun die fast zwangsläufig der Hexerei angeklagte Jüdin retten. Tödlich getroffen von Vilfredo-Florez’ Spitzentönen sinkt Briano zu Boden. Rebecca verendet aus Gram. Man sieht, eine konzertante Aufführung ist nicht die schlechteste Lösung.
Famoser Salzburger Bach-Chor
Entdeckung des Abends ist Bariton Luca Salsi als Tempelritter Briano. Seine Stimme verfügt über enormes Volumen, doch Salsi setzt es umsichtig ein und stellt es immer in den Dienst geschmackvoller Phrasen-Modellierung. Clementine Margaine als Rebecca ist ihm an Kraft ebenbürtig, sie verfügt über den hochdramatischen Mezzo, der für diese Rolle im Gegensatz zu schierer Tonschönheit überlebenswichtig ist. Anfangs geriet die Intonation allerdings etwas wackelig. Kristiane Kaiser als Rovena wiederum intoniert ihren mit reichlich Schärfe angespitzten Sopran perfekt, hat aber Mühe, bei ihrer – undankbaren – Rolle emotionale Beteiligung über die Bühne zu bringen. Dem strahlend-reinen, unerschütterlich höhensicheren Tenor von Florez´ wirkt der Vilfredo wie auf den Leib komponiert. Die Strahlkraft gibt seinen Liebesbekundungen etwas Dringliches, die Stimme lodert hell wie Feuer, wenn er bekennt, von Rovena entflammt zu sein. Auch die kleineren Partien sind mehr als adäquat besetzt, famos der von Alois Glassner bestens präparierte Salzburger Bach-Chor, der einige der schönsten Passagen dieser Oper gestalten darf.