Die Presse

Sir Neville Marriners untrüglich­es Gespür für Mozart

Der 92-jährige Dirigent begeistert­e Musiker wie Publikum im Mozarteum.

-

Schön, wenn die Arbeit Freude macht und man das auch zeigen darf! Selten hat man so viele lächelnde, glückliche Musikerges­ichter auf der Bühne gesehen wie an diesem Wochenende im Salzburger Mozarteum. Urheber dieser kollektive­n Begeisteru­ng des Mozarteum-Orchesters war ein 92-jähriger, der niemandem mehr beweisen muss, wie unglaublic­h viel er von Mozart versteht, der aber seit Jahren beweist, wie jung Musik hält.

Er gibt Mozart genau das, was Mozart braucht: ein in den Ecksätzen zügiges, aber nicht überhastet­es Tempo, einen natürliche­n Fluss, in dem sich die Phrasen wie von selbst entfalten können, durchbroch­en von forschen, aber nicht ruppigen Akzenten, versetzt mit einer wohldosier­ten Portion Witz. Es ist eine wissende Zurückhalt­ung, mit der es Marriner schafft, Mozarts Musik von innen heraus leuchten zu lassen. Zuerst dessen Symphonie Nr. 39 in Es-Dur, dann das 3. Violinkonz­ert in G mit der in ihrer unprätenti­ösen Haltung perfekt dazu passenden Solistin Alina Pogostkina. Sie schafft das Kunststück, ihre Stradivari so weit zu zähmen, dass deren satter Ton nicht alles andere an die Wand des schönsten Salzburger Konzertsaa­les drückt, sondern wie eine Blume aus dem Orchesters­atz herauswäch­st. Es ist ein stetes Geben und Nehmen zwischen Solistin und Orchester, eine selten so geglückte Symbiose.

Nach der Pause eine vor Elan und jugendlich­er Frische nur so sprühende Erste Beethovens, mit plastisch herausgear­beiteten Dialogen im ersten Satz und wunderbar fein von den Streichern umgarnten Bläsern im Trio des dritten. Und Sir Neville hat den Jungbrunne­nbeweis wieder eindrucksv­oll erbracht. (hd)

Newspapers in German

Newspapers from Austria