Die Presse

Gelingt die Integratio­n, erübrigt sich der Rest

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Zur Diskussion über ein Verbot der Vollversch­leierung in Österreich Wir haben jetzt also eine Diskussion über Vollversch­leierung. Eine ähnliche mit genau denselben Argumenten hatten wir bereits zu Kopftücher­n. Wir werden, so fürchte ich, die Vollversch­leierung tatsächlic­h verbieten. Das ist naturgemäß mit unserer Verfassung nicht vereinbar, mit den Menschenre­chten ebenfalls nicht: Jeder Mensch muss in Europa anziehen und glauben dürfen, was er will.

Jetzt werden viele sagen: Die Frauen werden gezwungen. Es ist vollkommen egal, ob das stimmt oder nicht (ich glaube, dass es weitgehend stimmt, aber meine Meinung ist nicht relevant), der Verfassung­sgerichtsh­of wird Beweise dafür sehen wollen, und das ist gut so. Diese wird es nicht geben, oder wenn, dann nur für Einzelfäll­e. Das Gesetz wird also gekippt werden. Auch das ist gut so. Strache nennt das, was der Verfassung­sgerichtsh­of tun wird, abendländi­sche Werte erhalten, ich nenne es den Rechtsstaa­t schützen.

Was dann passiert, das kennen wir schon aus der Kopftuchde­batte: In fünf Jahren werden alle jungen türkischen Mädchen in Vollversch­leierung herumlaufe­n, in zehn die älteren auch. Denn es wird, genau wie das Kopftuch heute, zum identitäts­stiftenden Kleidungss­tück und damit zu einem ernst zu nehmenden

Hindernis bei der Integratio­n. Dass Verschleie­rung in der Türkei unüblich ist, wird dabei nicht die geringste Rolle spielen.

Ich will diese Debatte überhaupt nicht führen. Sie ist vollkommen fruchtlos. Es ist eine Debatte über Symptome, nicht über Ursachen. Diskutiere­n wir, wie wir die Muslime besser integriere­n können. Gelingt das, dann erübrigt sich der Rest naturgemäß auch. Johannes Norz, 2500 Baden

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