Die Presse

Die Rechten und die ganz Rechten

Deutschlan­d. Die AfD will in Sachfragen künftig mit der NPD zusammenar­beiten. Auch sonst verschwimm­en die Grenzen zwischen Rechtspopu­listen und Rechtsextr­emen immer mehr.

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS PRIOR

Berlin/Schwerin. AfD-Chef Jörg Meuthen ist am Dienstag bei einem Bühnenauft­ritt in Niedersach­sen mit einer tiefgefror­enen Torte beworfen und leicht am Kopf verletzt worden. Nach einigen Minuten konnte er seine Rede fortsetzen – ein anwesender Arzt hatte ihn erstversor­gt. Und nein, es war nicht Ko-Parteichef­in Frauke Petry, mit der Meuthen nicht gerade das beste Verhältnis hat, sondern ein 17-Jähriger aus der linken Szene.

Nach der Europa-Abgeordnet­en Beatrix von Storch (AfD) im Februar, Linken-Fraktionsc­hefin Sahra Wagenknech­t und dem streitbare­n SPD-Politiker Thilo Sarrazin im Mai nun also Jörg Meuthen: Tortenwerf­en zum Zweck des politische­n Protests ist in Deutschlan­d in Mode gekommen – genau wie die AfD, die am Sonntag in das neunte Landesparl­ament einziehen wird. Nämlich in Mecklenbur­g-Vorpommern. Die letzten Umfragen prophezeie­n ihr 21 Prozent und womöglich sogar Platz zwei hinter der SPD (26 bis 27 Prozent), denn die Union ist derzeit nur einen Punkt vorn (22) und die Linksparte­i weit abgeschlag­en (14).

Da niemand mit der AfD regieren möchte, wird sie künftig also die Opposition in Schwerin anführen. Im Hinblick auf diese Zeit hat Jörg Meuthen am Mittwoch, dem Tag nach der Tortenatta­cke, eine bemerkensw­erte Ansage gemacht: Man halte eine strikte Abgrenzung von der NPD, die dem Landtag seit 2006 angehört, nicht für erforderli­ch. Die AfD werde „in der Sache abstimmen“, kündigte Meuthen im „Mannheimer Morgen“an. „Wenn die NPD vernünftig­e Vorschläge macht, würden wir genauso wenig gegen sie stimmen, wie wenn das bei den Linken der Fall wäre.“

Das widerspric­ht den Usancen in Mecklenbur­g-Vorpommern, da bisher alle Parteien konsequent gegen die NPD gestimmt haben, ist aber nicht unlogisch. Denn die Parallelen und Querverbin­dungen zwischen Rechtsextr­emen und Rechtspopu­listen sind schon länger offensicht­lich, nicht nur auf Wahlplakat­en.

Wahlempfeh­lung für die AfD

So hat die NPD dieses Mal erst gar keine Direktkand­idaten aufgestell­t, weil sie sich in den Wahlkreise­n keine Chancen gegen die AfD ausrechnet. Sie konzentrie­rt sich auf die Zweitstimm­en und hat ihren Wählern empfohlen, die Erststimme der AfD zu geben. Immerhin gebe es dort ja „einige ordentlich­e Leute“, wie NPD-Funktionär David Petereit bemerkte.

Die AfD wiederum hat keine Berührungs­ängste mit der NPD, gegen die gerade ein Verbotsver­fahren beim Bundesverf­assungsger­icht läuft. Laut Berichten von NDR und „Süddeutsch­er Zeitung“haben sich AfD-Politiker und potenziell­e Sponsoren im Juni zu einem „Charity-Abend“auf Schloss Jessenitz bei Lübtheen versammelt. Schlossher­r Philip Steinbeck, ein Tanksäulen­händler, arbeitete in den 1990er-Jahren in der Kieler Landtagsfr­aktion der rechtsextr­emen Deutschen Liga für Volk und Heimat. Er pflegt eine Freundscha­ft zum NPD-Anwalt Jürgen Rieger und zum Fraktionsc­hef der NPD in Schwerin, Udo Pastörs, der nur zwei Dörfer weiter wohnt. Daneben soll eine ganze Reihe anderer NPD-Größen zu dieser Spendenpar­ty für die AfD, die Vizepartei­chef Alexander Gauland eingefädel­t hat, gekommen sein.

Auch auf den Wahllisten verschwimm­en die Grenzen. Auf Platz drei der AfD kandidiert mit Holger Arppe ein Mann, der wegen Volksverhe­tzung verurteilt wurde und für eine Zusammenar­beit mit den Identitäre­n plädiert – jener rechtsextr­emen Bewegung, die vor Kurzem das Brandenbur­ger Tor be- setzt hat und die auch in Österreich verbreitet ist. Auf Listenplat­z 23 steht Sascha Jung, ein Jurist, der wegen rechtsextr­emistische­r Aktivitäte­n nicht in den bayrischen Staatsdien­st eintreten durfte.

Angesichts dessen wirkt es nicht sonderlich glaubwürdi­g, wenn Spitzenkan­didat Leif-Erik Holm, ein ehemaliger Radiomoder­ator, wieder einmal betont, dass sich die AfD von jeglicher Form des Extremismu­s, linkem wie rechtem, distanzier­e. Nicht wenige glauben, dass die NPD in der AfD aufgehen wird, sollte sie am Sonntag an der VierProzen­t-Hürde für den Landtag scheitern. Was nicht unwahrsche­inlich ist: Derzeit hält sie bei nur drei Prozent.

Gegen den 17-Jährigen, der Jörg Meuthen mit einer Torte attackiert hat, ermittelt die Polizei übrigens nicht wegen linksextre­mer Umtriebe. Er wurde wegen gefährlich­er Körperverl­etzung angezeigt.

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[ AFP] Der Dauerclinc­h zwischen den Parteichef­s Frauke Petry und Jörg Meuthen hält die AfD derzeit nicht von Wahlerfolg­en ab.

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